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Ambassadors of Freedom

Ambassadors of Freedom

 

Meine Augenlider klappten langsam auf. Müde war ich, doch ich bekam nichtmal mit das ich geschlafen hatte. Ausserdem fühlte sich mein Kopf dreifach so schwer an wie normal. Verwirrt erhob ich mich von dem Bett in dem ich geschlafen hatte. Der Raum den ich erblickte macht mir etwas Sorgen. Die Wände waren teils durchlöchert und angeschimmelt. Ein großes Holzregal lag quer über dem Boden. Verwahrlost war das Zimmer, bis auf die letzte Holzdiele. Neugierig durchforstete ich die Wohnung, und überall sah ich dasselbe. Im Badezimmer stellte ich mich vor den Spiegel. Verdutzt erblickte ich einen jungen Mann. Ich musterte mich selbst. Diese Situation war unbeschreiblich. Weder wusste ich, wer ich war, wie ich hieß und was ich hier tat. Aufeinmal nahm ich von draußen Schüsse wahr. Ich zuckte zusammen und eilte zum Fenster. Gespannt hockte ich mich hinter das Fenster und schielte unauffällig hinaus. Rechts von mir war eine kleine Gruppe von Männern hinter einigen Parkbänken in Deckung gegangen. Was weiter links war konnte ich nicht sehen. Einer der Männer feuerte immer wieder mit einer kleinen MP blind aus der Deckung heraus. Wiederrum ein anderer stand gerade auf zum feuern. Sofort wurde er von einer Kugel zu Boden gerissen. Angespannt sah ich mich in der Wohnung nach einer Waffe um. In einem vermoderten Holzschrank fand ich eine doppelläufige Schrotflinte mit passender Munition. Doch beim Anblick dieses Gewehrs zweifelte ich ob es überhaupt noch funktionierte. Es sah so aus als ob es mehrere Jahrzehnte nicht benutzt wurde. Wie auch immer, ich klappte den Lauf nach vorne und lud die zwei Kammern, in der Hoffnung das sie wenigstens noch ein paar Schüsse abgab. Der Munition nach zu urteilen war sie wohl zur Jagd bestimmt. Hektisch schwang ich mich wieder zum Fenster. Die Männer hinter den Parkbänken hatten ihre Deckung aufgegeben und zogen sich panisch zurück. Einem nach dem Anderen wurde in den Rücken geschossen. Die die sich retten konnten suchten Deckung. Meine Neugier übermannte mich und ich schielte rechts aus dem Fenster. Kurz nachdem ich mich wieder vom Fenster entfernte, zischte eine Kugel an meinem Kopf vorbei. Instinktiv warf ich mich auf den Boden, um meinen Angreifer glauben zu lassen er hätte getroffen. Ich schlug meinen Kopf am Parkett an und mein Knie schmerzte etwas. Aber ich war in Ordnung. Eigentlich gab es nur zwei Möglichkeiten: Entweder war das ein Glückstreffer oder dort drüben hatte sich jemand mit einem Präzisionsgewehr verschanzt. Letzteres erschien mir wahrscheinlicher. Immernoch geschockt blieb ich einige Minuten am Boden liegen. Schließlich fing ich mich wieder und kroch weg vom Fenster. Etwas ausser Atem setzte ich mich gegen eine Wand. Gerade hatte ich mich wieder beruhigt, als ich ich Schritte vor der Tür wahrnahm. Entschlossen löste ich die Sicherung des Gewehrs. Ich stand auf und presste mich an die Ecke vor der Tür. Knarzend schob sich die Tür langsam auf. Das vordere Teil eines Sturmgewehrs spähte durch den geöffneten Spalt. Blitzschnell reagierte ich und riss meinem Angreifer die Waffe aus der Hand. Ein Schuss löste sich als das Gewehr auf den Boden prallte. Ich riss die Tür auf und presste meinem Angreifer den Lauf der Schrotflinte an die Brust. Er hatte die Hand gerade an seiner Pistole im Holster, doch als er das Gewehr erblickte ließ er die Pistole in Ruhe. Ich musterte ihn von oben bis unten. Er trug einen weißen Schutzhelm mit klappbaren Gesichtsschutz. Ausserdem hatte er eine blaue Ganzkörperrüstung an und trug Armeestiefel. Angestrengt versuchte ich meine Nervosität in meiner Stimme zu verdrängen, als ich ihn provokativ fragte: „Bist du Soldat? Hast du eben versucht mich zu erschießen?“ Sein Blick wanderte zum Boden und er ignorierte meine Frage. Mechanisch wiederholte ich die letzte Frage. Als er wieder nicht antwortete, presste ich ihm den Lauf härter an die Brust. Schließlich fing er gefühllos an zu reden: „Wie soll ich denn bitte auf dich schießen? Siehst du hier irgendwo ein Präzisionsgewehr?“ Meine Mimik formte sich zu einem wütenden Gesicht. Dadurch hatte er sich verraten. Schließlich hackte ich nach: „Ich hab nichts von einem Präzisionsgewehr gesagt!“ Verdutzt sah er mich an und versuchte nach seiner Pistole zu greifen. Doch ich war schneller und konnte abdrücken. Ich wandte meinen Blick von der Leiche ab. Als ob nichts passiert wäre wischte ich mir das Blut vom Gesicht. Neugierig blickte ich über die Brüstung hinweg. Ich war in einem Treppenhaus. Offenbar war ich im ersten oder zweiten Stock. Zuerst zweifelte ich ob ich das Haus verlassen sollte, aber es gab keine andere Möglichkeit um zu erfahren wo ich hier bin. Die Schrotflinte tauschte ich durch das Sturmgewehr aus. Seine Ersatzmagazine nahm ich auch mit. Mit dem Sturmgewehr in beiden Händen stieg ich mechanisch die Treppe runter. Die Tür geöffnet, schenkte ich der Straße kurz ein paar Blicke. Dann fing ich an zu marschieren. In die Richtung in die die Männer geflohen waren.

 

Nach ungefähr zehn Minuten Fußweg traf ich auf eine Art Kontrollpunkt. Jemand sprang aus seinem Sitz in einem provisorisch aufgebauten Kontrollhäuschen. Daran angeknüpft war eine metallische Schranke. Durch ein Megafon schrie jemand: „Das Gewehr wegwerfen! Die Hände hinter den Kopf und auf die Knie!“ Brav folgte ich den Anweisungen. Schließlich wollte ich beweisen das ich nicht in böser Absicht kam. Zwei andere Männer kamen auf mich zu und griffen mir unter die Arme. Sie schleppten mich zum Kontrollhäuschen und setzen mich auf den Stuhl vor einem Schreibtisch. Mir fiel auf, das sie alle weiße, ärmellose Shirts und schwarze Cargo-Hosen trugen. Schien wohl eine Art Gang zu sein. Der Typ der durch das Megafon brüllte, setzte sich mir gegenüber. Er schien wohl ihr Vorgesetzter zu sein. Mit einer Handbewegung deutete er den Wachen uns allein zu lassen. Offenbar hatten sie nicht vor mir etwas anzutun. Er musterte mein Gesicht. Schließlich bemerkte er: „Sie sehen so gepflegt aus. Wie kommt's? Söldner von der Regierung? Unabhängiger Kämpfer?“ Ihn anzulügen erschien mir sinnlos. Der Mann war um die 30 und hatte sich einen Skinhead schneiden lassen. Er wirkte auf mich vertraulich, und ich erwiderte stutzig: „Es klingt vielleicht bescheuert, aber ich hab meine Erinnerung verloren. Ich weiß nichtmal wo ich hier bin.“ Doch er verzog kein bisschen das Gesicht. Etwas unsicher, aber entschlossen antwortete er: „Sie sind in Frankreich. Die Stadt Marseille, wir sind hier ziemlich nah am Meer.“ Er unterbrach nachdenklich. Gerade wollte ich etwas einwerfen, doch er erzählte weiter: „Naja, zu ihrer Zeit war das wohl Frankreich. Alles hat sich geändert. Wir haben das Jahr 2072.“ Ungläubig bemerkte ich: „Niemals. Dann wären sie doch allein technisch nicht auf diesem Stand? Die Waffen, die Baustile der Gebäude...“ Er unterbrach mich: „2019 gab es eine internationale Krise. Es ist zu lang her, deshalb kann ich nicht sagen was es war. Mittlerweile liegen zwei... oder drei Generationen zwischen heute und dem Vorfall. Anarchie hatte sich verbreitet. Und weltweit wird um's eigene überleben gekämpft.“ Eine Frage hatte ich noch: „Und wieso sprechen sie Englisch? Sie haben keinen Dialekt, sie sprechen wie ein Muttersprachler.“ Daraufhin meinte er: „Das ist üblich. Der amerikanische Kontinent wurde von den Russen übernommen. Die Amerikaner sind hierher nach Europa geflohen. Aber Franzosen gibt es hier natürlich auch noch. Wir leben seit der Übernahme von Amerika zusammen mit ihnen.“ Etwas nachdenklich stellte ich ihm die Frage: „Wieso glauben sie mir das so bedingungslos? Und woher wissen sie das ich aus der Vorzeit stamme?“ Ziemlich sicher antwortete er: „Ihre Manieren. Die Art wie sie sich mit mir unterhalten. Mein Vater zeigte mir wie ich einen solchen Menschen erkenne.“ Zuversichtlich nickte ich. Abschließend wollte er noch klarstellen: „Was wollen sie tun? Wohin wollen sie?“ Ehrlich gesagt wusste ich keine Antwort. Und durch diese Frage machte er mir klar, das seine Selbstjustiz-Armee mich nicht aufnehmen würde. Also erkundigte ich mich: „Gibt es einen Ort wo ich willkommen bin? Ein Flüchtlingslager oder so?“ Höhnisch bemerkte er: „Flüchtlingslager? Sie sind wirklich aus der Vorzeit. Sie können es mal bei den Tschechen probieren. Die sind uns wohlgesonnen. Sagen sie dem Kontrollposten Raúl schickt sie.“ Abschließend forderte ich noch: „Ich könnte Munition gebrauchen. Und welche Gegenden ich meiden sollte... und eine Karte wäre auch nicht schlecht.“ Er nickte. Ziemlich genervt erklärte er: „Also von Spaniern aufjedenfall fernhalten. Die wollen an uns vorbei zu den slawischen Ländern. Genauso wie Portugal. Sonst sollten sie eigentlich auf dem Weg zur Tschechischen Zone keine anderen Gefahren antreffen.“ Unter dem Tisch holte er einige Magazine für mein Gewehr vor und gab mir eine Stadtkarte. Die eigentliche Legende wurde durchgestrichen und es wurden die Besetzungszonen der verschiedenen Fraktionen eingezeichnet. Zur Karte fügte er noch hinzu: „Die Grenzen ändern sich ständig durch Gefechte. Also in spätestens 5 Tagen würde ich sagen stimmt die Karte nichtmehr. Vertrödeln sie keine Zeit.“ Die Magazine steckte ich in meine hinteren Hosentaschen. Die Karte faltete ich zusammen und ließ sie in einer meiner anderen Hosentaschen verschwinden. Ich stand auf und verließ das Kontrollhäuschen. Die Schranke hob einer der kräftigen Wachen hoch und ich schlüpfte hindurch. Der zweite rief mir hinterher: „He, vergiss' das nicht!“ Er warf locker aus einer Hand das Sturmgewehr zu mir. Abschließend bemerkte er noch: „Ich hab dir 'nen Tragegurt drangemacht. So hälst du sie bequemer, glaub mir!“ Und er zwinkerte mir zu. Mit einem lächelnden Nicken verabschiedete ich mich. Das Sturmgewehr hing ich an meine Schulter. Ich lief bis zur nächsten Straßenecke. Dann zückte ich kurz die Karte und orientierte mich. Als ich mir schließlich die Route eingeprägt hatte, fing ich wieder an zu laufen.

 

Eine gute halbe Stunde war ich schon durch die Straßen geirrt, hin und wieder nahm ich ein paar Straßen weiter einige Schüsse wahr. Erst jetzt wurde mir bewusst was für eine Hölle diese Stadt war. Ob es auf anderen Teilen der Welt wohl auch so aussah? Nachdem was mir Raúl erzählte wahrscheinlich schon. Ich selbst war mir ja nichtmal sicher ob ich aus der „Vorzeit“ komme, wie Raúl das nannte. Vielleicht bin ich auch einfach nur niedergestreckt worden und hab einiges vergessen. Aber er hatte Recht, im Gegensatz zu allen anderen war ich zu gepflegt. Und er hatte den Anstand mich mit „Sie“ anzureden. Die Wache hatte mich geduzt. Aber vielleicht hat er mich für jünger als 18 gehalten... Gott ich wusste ja nichtmal wie alt ich war. Ich schätzte mal durch mein Äusseres ungefähr 20. Mir fiel ein das ich noch nichtmal einen Namen hatte. Vielleicht sollte ich mir einen einfallen lassen... John? Nein. Daniel? Nein, nein, nein... es darf nicht so typisch sein. Matthew? Matthew... Matt... Ja, ich denke Matt wäre ein guter Name. Schließlich dachte ich nocheinmal an das Gespräch mit Raúl zurück. Ausserdem fiel mir ein das ich vergessen hatte zu fragen, wer diese gepanzerten Typen sind. Wie einer von denen, der mich erschießen wollte. Auf der Paralellstraße krachte es wieder. MP-Schüsse. Stur ignorierte ich es. Mir war bewusst, das dort Menschen starben, aber vielleicht sind es ja ganz andere Fraktionen die sich dort drüben bekämpfen. Vielleicht wäre mein Hilfeversuch nach hinten losgegangen und sie hätten mich erschossen. Naja, kann man nie wissen. Also marschierte ich weiter.

Wieder einige Zeit später hörte ich nochmals Schüsse. Doch sie waren auf meiner Straße. Plötzlich zischte und pfiff es neben mir. Jemand schoss auf mich. Instinktiv warf ich mich hinter einer Parkbank in Deckung, wie ich es bei den Skinheads schon beobachtet hatte. Das Gewehr nahm ich von der Schulter und ich lud es durch. Mich hochzuwagen war eine schlechte Idee, vielleicht lauerte wieder einer dieser Heckenschützen in einem der Häuser. Improvisieren war angesagt. Auf dem Boden lag eine Handtasche. Ich hoffte das sie einer Frau gehörte. Und ich hatte Glück. Hektisch durchwühlte ich das Schmink-Set und nahm den kleinen Handspiegel. Schnell klappte ich ihn auf und hielt ihn nach oben. Heckenschützen machte ich keine aus, doch einige gebräunte MP-Schützen. Ich dachte an die Warnungen von Raúl. Spanier und Portugiesen? Ja, das konnte beides sein. Also entsicherte ich mein Gewehr und schwang mich nach oben. Auf der Lehne der Parkbank stützte ich das Gewehr auf, und begann zu feuern. Einige erwischte ich sofort und sie fielen zu Boden, andere konnten rechtzeitig in Deckung gehen. Doch dann spürte ich einen dumpfen Schlag auf den Hinterkopf. Ich bemerkte nurnoch wie mir jemand mein Sturmgewehr abnahm, dann fielen mir die Augen zu.

 

Wie durch dicke Wände nahm ich hallende Stimmen wieder. Nur sinnloses Geplapper hörte ich heraus... doch nach genauerem hinhören identifizierte es als spanisch. Quälend langsam hob ich meine Augenlider. Ich saß in einer Gefängniszelle, zwei spanische Wachen standen vor dem Gitter und unterhielten sich. Einer der beiden bemerkte das ich wach war und schloss die Tür auf. Er rief den anderen hinzu und sie packten mich unter den Armen. Irgendwie kam mir das bekannt vor. Sie trugen mich durch eine Lagerhalle. Ich hoffte das der spanische Kommandeur mich genauso freundlich wie Raúl in Empfang nahm. Aber wenn sie meine Karte gefunden hatten, wussten sie schon das ich bei den Skinheads war. Sie setzten mich auf einen Stuhl und fesselten mich daran. Ein durchschnittlich großer Spanier trat vor mich. Prahlend stellte er sich vor: „Ich bin Comandante Ramiréz. Freut mich, sie kennenzulernen.“ Schweigend nickte ich. Er interpretierte das wohl als Verachtung. Also schlug er mir einmal ins Gesicht. Er hackte nach: „Wie ist ihr Name?“ Wieder schwieg ich. Er wollte hundertprozentig meinen Nachnamen wissen, und ich hatte ja keinen. Also hielt ich schön den Mund. Diesmal nahm er seine Pistole und schlug mit dem Griff frontal auf meinen Kopf. Mein Kopf kippte nach vorne weg und ich bekam heftige Schmerzen. Zum Sprechen war ich nichtmehr in der Lage, das begriff er wohl auch. Also beschloss er, seine Wachen an mir weiterprügeln zu lassen. Aus allen Richtung und an allen Stellen spürte ich heftige Schläge, mal von einer Faust, mal von einem Gewehrkolben. Ich sah nurnoch verschwommen, doch sie hörten nicht auf. Wie es aussah wurde ich hingerichtet. Doch plötzlich hörte ein unerträglich lautes Krachen. Offenbar hatte jemand die Tür aufgesprengt, und kurz darauf schallten in meinen Ohren laute Schüsse, die nur aus einer großkalibrigen Pistole stammen konnten. Gequält hob ich den Kopf, und erkannte nur wie einer nach dem anderen zu Boden sackte. Plötzlich spürte ich wie jemand meine Fesseln durchtrennte. Jemand zischte mir zu: „Bleib dicht bei mir!“ Also stand ich auf und humpelte hinterher. Immer wieder fielen ohrenbetäubende, krachende Schüsse. Ich hielt meinen Beschützer kurz an der Schulter fest, um ihm zu symbolisieren, das ich anhalten wollte. Unter mir lag nämlich eine Leiche der Wachen. Hektisch tastete ich nach der Pistole am Boden und nahm sie hoch. Einmal kurz den Lauf gespannt zum durchladen und wir konnten weiter. Hin und wieder schoss ich auf ein paar Silhouetten, aber ich traf nur ins leere. Letztenendlich erledigte das immer mein Beschützer. Es dauerte zwar nur ein paar Minuten bis wir uns zum Ausgang durchgekämpft hatten, doch für mich lief alles in Zeitlupe ab. Aus einer Minute wurden Stunden. Schließlich waren wir draußen, und ich musste mich ersteinmal hinsetzen. Ich lehnte mich an eine Hauswand, und ich rieb mir einfach nur die Hände über das Gesicht. Jemand stieß mir kurz in den Arm: „Alles klar?“ Ich sah nach oben. Das war überhaupt nicht das was ich erwartete. Eine junge Frau sah mich an. Sie war durchschnittlich groß, hatte kreidebleiche Haut. Ausserdem hatte sie schwarze Haare, die ihr Gesicht halb verdeckten. Auf ihrem Gesicht glänzte eine schwarze Sonnenbrille. Ein Antlitz wie ein Vampir, einer Jägerin. Sie hielt in beiden Händen zwei große, silberne Pistolen. Etwas verwirrt antwortete ich: „Ja... mir geht’s gut.“ Etwas spöttisch fragte sie nach: „Was hattest du denn da drinn' zu suchen?“ Doch darauf fiel mir eine Gegenfrage ein: „Wieso hast du mich da rausgeholt?“ Sie erwiderte wieder in derselben Weise: „Das war verdammtes Glück für dich. Ich schau' hier öfter mal vorbei und ärger die Spanier ein bisschen.“ Darauf konnte ich nur mit einem Nicken antworten. Mir war klar, das ich ihr mein Leben schuldete. Die erste wichtige Frage die ich ihr stellen wollte, war zu wem sie gehört oder für wen sie kämpft. Aber sie sah sich in alle Richtungen um, immer bereit den nächsten Heckenschützen abzufangen. Als ich sie antippte zuckte sie leicht zusammen. Da wurde mir klar, das ich sie lieber nicht störe. Meiner Ansicht nach war es völlig unbegründet so auf der Lauer zu sein, sie hatte das ganze Lagerhaus mit ihren großkalibrigen .50-Kugeln leergefegt. Plötzlich schwang sich ein Schatten um die Ecke. Mit übertrieben vielen Schüssen streckte sie den Angreifer nieder. Am Boden verpasste sie ihm noch eine Kugel in den Kopf. Etwas geschockt von ihrer Brutalität blickte ich zu ihr auf, doch sie blieb unbeeindruckt. Sie bemerkte nurnoch: „Wenn du lebend aus dem Viertel rauskommen willst, bleib bei mir. Sag mir wo du hin willst. Ich begleite dich bis du ausser Gefahr bist.“ Zunächst zögerte ich, doch dann kniff ich die Lippen zusammen und stand auf. Entschlossen erwiderte ich: „Zu den Tschechen. Dort soll ich sicher sein.“ Etwas unglaubwürdig blickte sie mich an: „Das ist nicht dein Ernst? Was willst du denn bei denen?“ Ziemlich verlegen stand ich da. Ich hatte keine Antwort darauf. Sie fügte schließlich hinzu: „Komm mit mir mit. Ich bring' dich an einen sicheren Ort. Einen der wirklich sicher ist.“ Eigentlich wollte ich widersprechen, doch irgendetwas sagte mir, ich sollte ihr folgen. Also nahm ich die Pistole hoch und wollte ihr folgen. Aber sie stoppte mich vorerst und meinte: „Besorg' dir erstmal eine neue Waffe. Mit der Pistole kommst du nicht weit.“ Jetzt erst begann ich, sie wirklich wahrzunehmen. Sie verstrahlte eine ganz besondere Aura... eine blutrünstige, aber widerrum auch eine rechtschaffende. Schließlich dachte ich über ihren Vorschlag, mir eine neue Waffe zu besorgen, nach. Also drehte ich mich um und betrat die Lagerhalle erneut, und sah mich nach dem Sturmgewehr um, das mir die Wache am Grenzposten gegeben hatte. Doch nach einigen Minuten des Suchens, war mir bereits klar, das die Spanier es wohl einfach an der Stelle liegengelassen hatten, an der sie mich niedergeschlagen hatten. Also blickte ich mich nach etwas anderem um. Einer der Spanier hatte eine kleine MP dabei. Bei genauerem hinsehen identifizierte ich es als eine MP-7. Ich nahm sie auf, suchte einige passende Magazine und steckte sie mir zwischen Hose und Gürtel. Beim Aufsehen erblickte ich das Mädchen erneut. Sie trug auch noch Klamotten aus der „Vorzeit“. Eine schwarze Jeans, eine Lederjacke und darunter lugte ein schwarzes T-Shirt hervor. Was sofort hervorstach waren die Sneaker-Turnschuhe mit dem großen 70's-Aufdruck. Jetzt übermannte mich meine Neugier: „Für wen kämpfst du?“ Sie war wohl erstaunt, doch gab dann zurück: „Ich bin ein Unabhängiger. Ich kann eigentlich tun und lassen was ich will.“ In dem Moment war mir bewusst, das ich das große Los gezogen hatte. Bei ihr konnte ich ersteinmal in Ruhe nachdenken. Bestimmt wohnte sie in einem verlassenen Appartment, geschützt von allem und jedem. Sie bemerkte als eine Art Abschluss: „Komm. Wir müssen los.“ Doch ich musste noch etwas loswerden. Sie war schon losgelaufen, da fragte ich sie: „Wie heißt du?“ Sie blieb stehen und sah mich an. „July. July Coleré.“

 

Nun marschierten wir schon glatte 2 Stunden. Naja, jedenfalls fühlte es sich so an. Sie schlenderte förmlich durch die Gassen, sie kannte wohl jeden Winkel. Die ganze Zeit über redete sie kein Wort. Offenbar war sie es nicht gewohnt, begleitet zu werden. Ehrlich gesagt konnte ich mir auch vorstellen, das sie eher ein Einzelgängertyp war. Doch als wir an eine Kreuzung kamen hielt sie mich zurück und meinte: „Da geht’s zur Quai du Port. Ist wie der Broadway in New York eine große Hauptstraße“ , sie sah mich fragend an, „und somit natürlich auch am gefährlichsten. Hier sind zwar keine Fraktionen in der Nähe, aber wenn man uns hier überfällt sind wir schnell tot. Verdammt schnell.“ Ich nickte ihr nur zu und zückte die MP. Kurz durchgeladen und Luft geholt und wir zwei schritten auf die Straße. Sie zog einer ihrer beiden großen silbernen Pistolen und hielt sie die ganze Zeit fest umringt und immer mit einem Finger am Abzug. Wir liefen immer weiter den Boulevard herunter. Nach einigen Minuten nahm ich ein plätschern wahr. Wir gingen wohl in Richtung Meer. Sie wank mich näher zu ihr, und wir begannen einen schnelleren Schritt zu laufen. Über uns prangte ein großes Autobahnschild, aber alles war auf französisch. Ich konnte nur eine Sache deutlich erkennen: Ein Großer Anker mit einem nach rechts zeigenden Pfeil. Und sie deutete mir, nach rechts zu gehen. Wir gingen also zum Hafen. Sie drehte ihren Kopf während des Laufens halb zu mir: „Da rechts geht’s auf die Promenade Louis Braquier. Dort ist unser Versteck.“ Etwas verdutzt erwiderte ich: „Euer?“ Selbstverständlich antwortete sie: „Ja, unser Versteck. Das von den Unabhängigen.“ Ich sah mich um, und sah nichts als eine Straße. Wo sollten sie hier ein Versteck für alle Kämpfer herbekommen? Wir gingen die Promenade Louis Braquier runter, die schließlich an etwas endete, womit ich überhaupt nicht rechnete. Eine große, mittelalterliche, steinerne Burg erhob sich vor mir. July informierte mich prahlend: „Die Festung Saint-Jean. Mein Zuhause.“ Wir gingen auf das Tor zu, oben drauf standen zwei in Lederjacken gekleidete Schützen hinter einem Maschinengewehr. Einer der Schützen schrie etwas auf tschechisch herunter. July antwortete in derselben Sprache, und nach einigen Sekunden hob sich das Tor vom Boden. Als wir beide hindurch gingen, hörte ich absolut garkein Geräusch. Der große Saal war leer. Sie antwortete praktisch auf meinen Gedanken: „Die Festung wird nicht komplett genutzt. Wir halten uns alle meistens oben in den Türmen oder auf der hinteren „Terasse“ auf, wie wir sie so schön nennen, weil man von dort das Meer sehen kann.“ Daraufhin gingen wir in ein Treppenhaus und liefen ein kurzes Stück nach oben. July öffnete oben angekommen eine Tür, und wir schritten in einen kleinen, nett eingerichteten Vorraum. Unter der Tür vom Nebenzimmer kamen Stimmen hindurch. Rechts von uns war eine hohe Wand, an der verschiedene Waffen hingen, von Pistolen bis zu Scharfschützengewehren. Zwei Pistolenhalfter an der Wand waren leer, July verstaute ihre darin. Über den Halftern hing ein Schild mit der Aufschrift July. Erst jetzt bemerkte ich, das über jeder der Waffen ein solches Schild hing. Weitere amerikanische Namen, wie Troy oder Carrie. Auch überwiegend französische Namen wie Sebastien oder Jade dazwischen. Und dann noch vereinzelt einige tschechische Namen wie Borivoj oder Kristyna. Sie deutete mir, ihr zu folgen, und wir traten in den Nebenraum. Stimmen lagen in der Luft, es klang dort etwas Französisch, mal Tschechisch. Kurz glaubte ich sogar einige Holländische Sätze zu hören. Das hier war also das Hauptquartier der Unabhängigen aus Marseille. July hob die Hand und augenblicklich waren alle still und sahen uns an. Mir wurde es schon fast peinlich. Sie drehte den Kopf kurz zu mir und verkündete allen: „Ich hab' ihn vorhin ganz knapp vor den Spaniern gerettet. Er hat Potenzial, keine Frage. Ich hab' ihn mitgebracht um ihn bei uns aufzunehmen.“ Ein Mädchen, ungefähr in ihrem Alter stand auf, trat vor mich und musterte mich von oben bis unten. Dann sah sie July an: „Ja, du hast Recht.“ Dann sah sie mich kurz an: „Vítejte.“ Dann setzte sie sich wieder. July flüsterte mir kurz ins Ohr: „Ist tschechisch und steht für Willkommen.“ Neben ihr saßen noch zwei andere Mädchen, und sie sah mich nocheinmal an: „Ich bin Lenka. Das neben mir sind Bozena und Fleur.“ Ein Mann im Trenchcoat trat durch eine andere Tür ins Zimmer. Er warf gerade noch seine Zigarette auf den Boden und drückte sie aus. Zuerst stand er vertraut im Raum, doch dann sah er mich an. July wank ihn zu uns. Sie flüsterte ihm kurz etwas auf französisch ins Ohr. Dann sah er mich mit einem Lächeln an und reichte mir die Hand. Ich erwiederte das und schüttelte seine Hand. Er stellte sich vor: „Ich bin Dally Green. Aber nennen sie mich ruhig Greenley.“ Daraufhin zwinkerte er mir zu. Er fügt anschließend noch hinzu: „Begleiten sie mich doch auf die Terrasse. Ich wette, sie sind voller Fragen.“ Ich nickte nur, immernoch geblendet von seinem Erscheinungsbild. Er war älter als 40 Jahre, hatte sich die Haare kurz geschoren, die schon einige graue Ansätze hatten. Dann der schwarze Trenchcoat und die Lederstiefel... so stellt man sich einen Anführer vor. Jedenfalls nahm ich an, das er der Anführer war. Er schritt wieder durch die Tür durch die er gekommen war, und ich folgte ihm. Kurz blieb ich einfach nur starr stehen. Dieses Bild war unmöglich aus dem Kopf zu bekommen. Das Meer gläntzte in der rötlichen Abendsonne, einige Möwen flugen weit entfernt über das Wasser. Greenley ging zum Geländer, verschränkte seine Arme und legte sie darauf ab. Neben ihm stand ein weiterer Mann. Ich ging auf die andere Seite von Greenley und er sprach mich wieder an: „Das neben mir ist Ondrej“ der Mann nickte mir nur kurz zu, „er ist der zweitälteste hier. Und ich bin, wie du dich bestimmt schon gefragt hast, der Älteste. Wir führen die Unabhängikeit nicht an, aber wir sind meistens die jenen, die um Rat gefragt werden.“ Ich stellte als erstes die Frage, die mir in den Sinn kam: „Sollte ich vielleicht Tschechisch lernen? Französisch am besten auch noch?“ Greenley schüttelte den Kopf: „Französisch brauchst du nicht. Alle Franzosen können Englisch. Nur tschechisch... du solltest dich wenigstens verständigen können.“ Etwas unhöflich antwortete ich: „Wozu?“ Ondrej sah mich komisch an. Greenley hob die Hand, um ihm zu deuten, er solle sich beruhigen. Dann flüsterte er ihm etwas ins Ohr. Ondrej's Gesicht veränderte sich zu einer erstaunten Mine. Dann sah Greenley mich wieder an und erwiderte: „Alle unabhängigen sprechen normalerweise tschechisch miteinander.“ Er hielt kurz inne um sich eine weitere Zigarette anzuzünden, und rief in den Raum hinter uns: „July!“ Nach kurzem warten erschien sie auch. Er machte ein kurzes schnippen mit den Fingern und deutete dabei auf mich. Sie nickte und musste etwas lächeln, dann bat sie mich: „Folg mir.“ Und zwinkerte mir dabei zu. Wir gingen beide einige Zeit lang eine Wendeltreppe herunter. Unten kamen wir an einer massiven Stahltür an, an der drei große Schlösser angebracht waren. July zückte einen Schlüsselbund und schloss eines nach dem anderen lässig auf. Dann schob sie mit ihren Händen die beiden großen Türen auf und wir traten hindurch. Sie ging nach rechts hinweg und lehnte sich an die Wand. Dann knipste sie das Radio an, und eine Jazz- und Soulartige Musik ertönte. Ich sah mich kurz mit offenem Mund um, … nach rechts. Links. Geradeaus. An allen Wänden hingen Waffen. Übermäßig viele Waffen. Vom Taschenmesser bis zum Raketenwerfer... wirklich alles. Ich sah sie mit einem leicht geistesabwesendem Blick an: „Ich bin wohl vorhin bei den Spanieren gestorben, was?“ Sie musste kurz lachen und forderte mich dann auf: „Du darfst dir eine aussuchen, die gehört dann dir. Von Pistolen und MPs darfst du auch zwei Stück nehmen.“ Ich sah mich in Ruhe um, nahm hin und wieder wahllos irgendeine Waffe von der Wand um sie durchzuladen. Bei einem großen Maschinengewehr musste ich bemerken: „Wie Alice im Wunderland.“ Wieder ein kurzer Lacher von ihr, doch dann wurde sie wieder still. Ich schnappte mir schließlich ein aufgerüstetes AUG-Sturmgewehr, schraubte ein Visier und einen Tragegurt daran, und hing es um. Sie nickte, geleitete mich noch hinaus und meinte, ich könne schoneinmal vorausgehen. Ich stimmte ihr nur zu und stieg die Treppen herauf. Von unten schallte das knallen der Türen beim schließen und das klacken der Schlösser herauf. Dann nahm ich ihre Schritte nach oben wahr. Oben angekommen setzte ich mich auf den nächstgelgenen freien Platz. Die drei Mädchen die mich vorhin in Empfang nahmen, Lenka, Bozena und Fleur starrten mich an. Besonders Fleur ließ ihren Blick nicht von mir schwinden. Sie wollte gerade aufstehen, doch als July sich neben mich setzte, ließ sie sich wieder auf ihr Sofa sinken. Dort drinnen waren mindestens 40 Leute, vielleicht sogar ein wenig mehr. July wollte gerade mit mir sprechen, als wir plötzlich ein Hämmern unten im Saal wahrnahmen. Greenley war hinter mir, und sprach mich an: „Sieh' doch mal was unten los ist. Vielleicht was wichtiges.“ July tippte mich an und meinte: „Ich komme mit.“ Wir beide stiegen eilig die Treppen zum Empfangssaal herunter, und hielten vor dem großen hölzernen Tor inne. Die MG-Schützen hörte man oben Anweisungen vom Tor aus brüllen. July drehte sich um und bemerkte noch im Gang: „Ich sag ihnen sie sollen keinesfalls schießen. Sieh du nach, wer es ist.“ Also schlich ich zum Knopf, der das Tor betätigte. Mit dem drücken wartete ich noch, bis die MG-Schützen aufhörten zu schreien, sonst schossen sie womöglich noch auf den Besucher. Nach ein paar Minuten war Ruhe draussen. Also betätigte ich den Knopf, und ich traute meinen Augen kaum. Einer der Skinheads stand vor mir. Er rannte zu mir, ich sah das er sich am Arm eine Schusswunde zuhielt. Dann sprach er mit Tränen in den Augen zu mir: „Die SK7. Sie waren in unserem Lager. Sie haben alle getötet, auch Raúl.“ Nach genauerem hinsehen konnte ich erkennen wer er war. Er war die Wache von der Schranke, die mir den Tragegurt an meinem Sturmgewehr montiert hatte. Schließlich ging er noch ein paar Schritte auf mich zu, und ich sah das er humpelte. Also stützte ich seinen Arm auf meinen Hals und zog ihn die Treppen nach oben. Lenka, Greenley und Ondrej warteten bereits auf mich. Als Greenley den verletzten Skinhead sah, rannte er sofort auf ihn zu und übernahm selbst die Stütze. Er trug den Skinny auf einen Stuhl und setzte sich neben ihn. Er ließ Lenka einige Verbände holen, dann fragte er ihn: „Verdammt, André! Was ist passiert?“ André, wie er sagte, erzählte davon wie sie überfallen wurden und das gesamte Lager ausgebrannt war. Ausserdem erzählte er, wie Raúl getötet wurde. Und ständig fiel dieses Wort, „SK7“. Greenley machte eine furchterregende Mine. Er leidete mit dem Skinhead. Als André fertig mit der Erzählung war, ließ man ihn sich in einem der Quartiere ausruhen. Greenley rief mich, July und die drei Mädchen zu sich und begann verschwörerisch planend zu sprechen: „Du...“ Ich unterbrach ihn: „Matt. Ich heiße Matt.“ Er nickte und fuhr fort: „Matt, July und Bozena, ihr werdet bei einem Stützpunkt der Portugiesen einsteigen. Bozena, du kannst doch portugiesisch, nichtwahr?“ Bozena nickte. Dann fuhr Greenley fort: „Lenka und Fleur, ihr sichert das Lager der Skinnys. Naja, zumindest das, was noch übrig ist.“ Lenka nickte und zog Fleur hinter sich her. Fleur hatte nochgarnicht begriffen, das sie gezogen wurde, sie sah mich noch an. Doch dann gab sie sich Lenka hin und lief ihr nach. Greenley wendete sich nochmals zu uns: „Die Portugiesen sind mit der SK7 verbündet. Macht einen hochrangigen Gefangenen, wie zum Beispiel einen Offizier. Der soll euch sagen, wo die SK7 ihr Hauptlager in Marseille hat.“ Ich machte ein verdutztes Gesicht, doch wie July antwortete Greenley auf meine Gedanken: „Die beiden werden dir unterwegs erklären, was die SK7 ist. Los, verschwendet keine Zeit. Diese Typen müssen wir heute noch grillen!“ Also gingen wir drei aus der Festung, mit Waffen und Karte im Gepäck. Und wir marschierten.

 

Bozena nahm ihren Rucksack vom Rücken und holte ein Seil mit Enterhacken hervor. Sie schwang ihn mit ihrem Arm und klinkte ihn am Dach eines Lagerhauses ein. July nahm einen Karabiner hevor und befestigte ihn von ihrer Jeanshose an das Seil. Ich tat es gleich wie July, dann folgte Bozena. Oben angekommen war eine große Glasscheibe. July blickte hindurch und zog mich neben sie. Wir hockten beide nebeneinander, und sahen hinunter. Die portugiesischen Soldaten saßen in einem Kreis, genau in der Mitte stand ein Offizier. Am Helm glaubte ich sogar das Zeichen eines Hauptoffiziers zu erkennen. July nickte nach hinten zu Bozena: „Genau wie geplant.“ Bozena zog das Seil hoch und befestigte es neben einem schweren Schornstein der Glasscheibe. July band sich an drei Punkten am Seil fest. Ich tat einfach dasselbe. July flüsterte mir etwas ins Ohr. Es war der Plan. Mit offenem Mund starrte ich sie an: „Genial.“ Sie nickte nur höhnisch: „Ich weiß.“ Sie zählte herunter: 3... 2.... 1... wir beide hechteten durch die Glasscheibe nach unten, der Offizier warf sich auf den Boden, weil wir direkt auf ihn zuflogen. Ganz knapp vor ihm kamen wir kopfüber zum Stopp. Bozena fing oben an, das Seil zu drehen, sodass July und ich uns auch drehten. Ich feuerte mit meinem Sturmgewehr, July mit ihren beiden Pistolen. Die Soldaten hatten garkeine Chance zu ihren Waffen zu greifen, sie fielen alle in sekundenschnelle zu Boden. Dann kappte July das Seil mit einem Dolch. Wir fielen zu Boden und zwangen den Offizier auf die Knie. Bozena seilte sich inzwischen auch zu uns herunter. Ich nahm mein Sturmgewehr wieder in beide Hände und holte kurz Luft. Währenddessen presste July dem Offizier ihre Pistole härter an den Kopf. Schließlich schrie sie ihn an: „Wo ist das Lager der SK7?“ Bozena übersetzte das auf portugiesisch. Er antwortete ebenfalls in derselben Sprache. Bozena nickte July zu. Bozena stellte sich neben mich. Plötzlich erstarrte ich. Ich spürte einen Pistolenlauf an meinem Hinterkopf. Die Person hinter mir entsicherte mit einem klacken seine Pistole. Dann spürte ich, wie jemand den Arm meines Bedrohers nach unten schlug. Plötzlich zuckte ich im Schmerz zusammen. Die Kugel ging in meine Verse, und ich musste schmerzentbrannt schreien. Ich lag quer am Boden, plötzlich hörte ich ein lauteres Pistolenkrachen. Röchelnd fiel Bozena neben mir zu Boden, mit einer Kugel in der Lunge. Dann schrie July: „Verdammtes Miststück!“ Und schoss noch mehrmals auf Bozena. Ihre leblose Augen starrten mich an. In meinem Kopf hämmerte alles. Mein Fuß pochte vor Schmerz, ich schloss meine Augen um mich zu entspannen. Ich fragte mich nur, warum zum Teufel Bozena mich erschießen wollte. July packte mich über ihre Schulter und joggte in Richtung Saint-Jean. Es war mir unklar, wie ich es in dieser Situation geschafft hatte einzuschlafen. Oder vielleicht war ich auch einfach nur vor Schmerz ohnmächtig geworden? Ich wusste es nicht. Jedenfalls wurde mir schwarz vor Augen. Ich fühlte noch einige Zeit die auf- und abbewegung durch July's Schritte, doch dann trat ich vollkommen weg.

 

Sanft schüttelte mich jemand am Arm. Müde rieb ich mir die Augen, und setzte mich auf. Ich blickte mich im Zimmer um, es waren steinerne Wände. Nach kurzem nachdenken fiel mir auf, das ich im Saint-Jean war. Neben meinem Bett saß Fleur. Sie sah mich mit ihren glänzenden Augen an. „Guten Morgen, Matt.“, sagte sie fürsorglich. Ich nickte ihr nur zuverischtlich zu. Sie schüttelte kurz ihren Kopf, um die Starre von mir zu lösen und gab mir eine Tasse: „Hier, Kaffee. Ich hoffe, er ist richtig.“ Träge nahm ich einen Schluck. Er war perfekt, nur ein klein wenig Espresso und der Rest mit Milch. Also schluckte ich und antwortete Fleur: „Er ist ganz und gar perfekt. Genau mein Geschmack.“ Das zauberte ihr ein charmantes Lächeln auf's Gesicht. Gerade wollte sie etwas hinzufügen, doch dann ging schon die Tür. July trat ein und fragte mich: „Na, alles klar Matt?“ Ich nickte nur. Erst jetzt sah July das Fleur hier saß. Sie musste kurz in sich hineinlächeln und schloss geräuschlos die Tür. Draussen hörte ich kurz Gekicher einiger anderer Mädchen. Fleur antwortete auf meine letzte Bemerkung: „Ich habe mir gedacht das du diesen Kaffee magst. Du bist ja schließlich Amerikaner.“ Sie strich kurz durch ihre langen blonden Haare und fuhr fort: „Ich bin beruhigt, das es dir gut geht.“ Ich nickte sie nur vertraut an, sie lächelte mich wieder charmant an und ging aus dem Zimmer. Dann kam July wieder herein und warf mir etwas schwarzes, viereckiges zu. Als ich es öffnete, dachte ich das sei ein schlechter Traum. In der Hand hielt ich einen Ausweis, oben rechts dick SK7 aufgedruckt. Daneben ein Foto von Bozena, die eigentlich Gabryela hieß. Sie war also Portugiesin und hat es schamlos ausgenutzt, das sie wie eine Tschechin aussah. July setzte sich neben mich, doch sagte kein Wort. Dann kam André, der Skinhead von vor einigen Tagen, zu uns Zimmer. Als er July sah, erkundigte er sich: „Störe ich? Ich kann auch wieder gehen.“ Zuverischtlich schüttelte ich den Kopf. Also setzte sich André auf den Stuhl neben der Tür, und fragte über July hinweg: „Wieso bist du eigentlich hier? Raúl sagte, du würdest zu den Tschechen gehen.“ Darauf sah ich July an: „Das war reiner Zufall.“ André nickte kurz in sich hinein, und fügte hinzu: „Und danke, das du mich reingelassen hast. Ohne deine Hilfe wäre ich draufgegangen.“ Daraufhin erwiderte ich: „Nein, nein, das war alles Befehl von Greenley&July, die haben gesagt ich soll...“ Doch July unterbrach mich: „Was erzählst du da? Das war doch ganz allein deine Idee.“ Und zwinkerte mir zu. Zuerst verstand ich nicht, was July mir damit für einen Gefallen tun wollte, doch bald wusste ich es. Ich und July gingen aus dem Zimmer raus, und alle sahen mich vergötternd an. Ein tschechischer Junge, vielleicht gerade einmal 12 Jahre alt, tippte mich an und fragte: „Hast du wirklich einen SK7-Soldaten allein besiegt?“ Daraufhin sah ich ihn nur komisch an. Dann kam ein anderer Mann, der einen schwarzen Leichensack trug. Er öffnete den Reißverschluss und ich erblickte den Gepanzerten Soldaten, den ich mit der Schrotflinte im Treppenhaus erschossen hatte. Verdutzt sah ich Greenley an: „Das sind SK7er?“ Er nickte nur und meinte: „Dann hast du ihn also getötet? Allein?“ Ich antwortete: „Ja und Ja.“ Greenley schüttelte mir die Hand: „Willkommen bei den Unabhängigen Kämpfern. Ich hatte dich wirklich unterschätzt.“ Daraufhin sahen mich alle an, July fing an zu klatschen und die anderen folgten ihrem Beispiel. Greenley ließ mich zu ihm in ein eigenes Zimmer kommen, nachdem der Applaus sich gelegt hatte. Schließlich begann er mir zu erzählen: „Du bist definitiv der Mann, den wir schon seit Jahren suchen. Wir werden dich in ein anderes Land senden. Zu anderen aus den Unabhängigen Milizen der veschiedenen Städte.“ Ich war unglaublich verwirrt und antwortete: „Wieso ich? Nur weil ich einen SK7er erschossen hab?“ Greenley schüttelte den Kopf. Ich sagte lieber nichts weiter... nach kurzem Schweigen fuhr er fort: „Ich werde dich aber bestimmt nicht alleine entsenden. Jemand soll dich begleiten. Ich habe allen Bescheid gesagt, die du kennst. Sie werden dich morgen Früh aus der Festung begleiten, ihr werdet nach Jacqués suchen. Der hat noch ein Auto das funktioniert, und er wird euch wohl ersteinmal nach Besançon bringen. Dort erwartet dich Amira. Sie wird dir sagen, wohin du musst.“ Stur nickte ich und verließ den Raum. Als ich durch den Raum lief, hielt mich Fleur kurz am Arm fest. Doch unbewusst riss ich mich los und ging zum Schlafsaal und legte mich nieder. Das war zuviel. Ich verstand absolut nichtsmehr. Müde schloss ich meine Augen. Schlafen war das einzige, was ich wollte. Das gelang mir nach einigen Minuten auch.

 

Träge setzte ich mich auf, die Sonne scheinte durch eines der steinernen viereckigen Lücken, die als Fenster dienten. Auf dem Beistelltisch stand eine Tasse Kaffe. Daneben ein Zettel: Alle warten unten im Empfangssaal auf dich. Ich hab' dir wieder deinen Kaffe gemacht. Komm so bald wie möglich 'runter. Fleur. Der Zettel setzte presste mir ein kleines lächeln auf. Ich trank in Ruhe meinen Kaffee und sah nocheinmal das Meer an. Das würde ich wohl so schnell nicht wiedersehen. Als ich fertig war, warf ich mir meine Sachen über und stieg die Treppen zum Saal hinunter. Unten sahen mich alle wieder so verwundert an. Ich ging einfach hindurch. Das Tor war heraufgelassen, und im Torbogen blieb ich stehen und blickte mich um. Greenley sprach laut durch den Saal: „Die die sich gestern bei mir meldeten, sollen nun vortreten und Matt begleiten.“ July trat entschlossen vor und stellte sich an meine linke Seite. Greenley wartete aber noch auf irgendetwas. Schließlich trat Fleur mit schüchternen Schritten zu meiner Rechten. Greenley verabschiedete uns, und wir brachen auf. July ging voraus, zog eine ihrer Pistolen und umklammerte sie. Fleur lief neben mir. Ich blickte mich nocheinmal um, das Tor schloss sich gerade. Die Schützen am Maschinengewehr wanken mir nocheinmal nach. Ich wank zurück, drehte mich wieder um, und lief weiter geradeaus.

Wir waren nun seit einer Woche in Marseille unterwegs gewesen, wir trafen einige Spanier, aber keine Spur von diesem Jacqués. Es war früher Morgen, wir hatten uns in einer Stahltonne ein Feuer gemacht. Wir waren in einem verschütteten Tunnel, der nur von vorne begehbar war, untergetaucht. Nur Fleur und ich saßen am Feuer, July saß draußen und hielt Wache. Sie war blutdurstig. Das Töten befriedigte sie. Fleur sah mich wieder mit ihren schimmernden Augen an. Ab und Zu erwiderte ich den Blick, doch sie wandte sich keinen Moment von mir. Fleur hatte ihre Pistole in der linken Hand. Das sie keine Kämpferin war, sah man ihr an. Sie trug nur eine einfache SLP.40-Pistole. Mein AUG-Gewehr lag am Boden. Gerade wollte ich es hochnehmen, doch als meine Hand über dem Sturmgewehr war, packte Fleur meine Hand. Ich ließ sie nicht los. Doch nach einiger Zeit nahm ich die Hand wieder zu mir. Plötzlich krachte es draussen. Einige hundert Meter entfernt sah man etwas aufblitzen. Das konnten nur July's große Pistolen sein. Ich nahm mein Gewehr in die Hand, lud es durch und eilte zu ihr hinaus. Es war neblig draussen, also musste ich genau hinsehen. July hatte eine ihrer Pistolen auf eine Leiche am Boden gerichtet, sie drückte gerade nocheinmal ab. Der Mann auf dem Boden war weder ein Spanier, noch ein Portugiese. Er trug eine schwarze Panzerung sowie einen Helm. Ausserdem hatte er eine professionelle MP dabei. July entnahm eine Karte aus einer seiner Taschen. Sie sprang kurz auf und jubelte: „Ja!“ Ich blickte sie fragend an, dann zeigte sie mir die Karte. Auf der Karte war ein Ort mit einem X gekennzeichnet. Darüber stand in einer ziemlich üblen Handschrift Jacqués. Ich konnte mich auch zu einem Lächeln zwingen. Dieser Typ arbeitete wohl für die Spanier. Jedenfalls machten wir uns sofort auf. July gab ich die Karte, sie ging wieder voraus. Diesmal lief Fleur zwar wieder neben mir, doch heute nahm sie leicht meine Hand. Wir liefen also die Straßen entlang... in der Hoffnung das die Karte aktuell war und wir diesen Jacqués endlich finden.

 

Wir kamen an einen großen Boulevard, als wir endlich das hörten was wir solange suchten. Etwas entfernt brummte ein Automotor. Also legten wir einen Schritt zu, doch das was wir fanden, war das schlimmste was wir zu befürchten hatten. Ein Transporter in Form eines Vans, stand mit einer geöffneten Tür in einer Nebenstraße. Wir eilten dorthin, und unsere Befürchtung bestätigte sich. Neben der geöffneten Fahrertür lag ein toter Mann in einer Blutlache. Er trug eine KfZ-Mechaniker-Uniform mit dem Namensschild Jacqués. Aber da July zum Glück Autofahren konnte, stieg sie vorne ein, und Fleur und ich hinten im Laderaum. Wir konnten losfahren. Nach Besançon.

 

Nach einigen Stunden der Fahrt, und einem Zwischenstopp an einer noch in Betrieb gehaltenen Tankstelle, waren wir bereits auf einer Autobahn in Richtung Lyon. Das hieß nurnoch zwei Tage Fahrt erwarteten uns. Wir waren gerade an einem leeren Rastparkplatz herausgefahren, als hinter uns ein anderes Auto auftauchte. Wir fuhren an der Ausfahrt heraus, der Wagen an uns vorbei. Wir nahmen an, wir waren nicht interessant für sie. Schnell die Schlafsäcke aus dem Van geholt und auf dem Dach ausgebreitet, lagen wir auch schon da. Fleur lag neben mir, selbst einschlafen konnte sie ohne meine Hand nichtmehr. Sie brauchte Nähe. Das war mir bewusst.

 

Unsanft wurde ich durch ein lautes Krachen geweckt. July schoss mit ihrem Pistolen. Zuerst dachte ich das sie ins nichts oder zur Übung auf Ziele schießt. Doch ein sich nähernder Automotor alarmierte mich. Ich nahm mein Sturmgewehr, weckte Fleur und drückte ihr ihre Pistole in die Hand. Sie verstand sofort, stand auf und sprang hinter dem Van in Deckung, genauso wie ich es tat. July stand auf der Straße und schoss mit ihrem Pistolen auf den sich nähernden LKW. Als ihre Magazine leer waren, warf sie sie raus und kam zu uns in Deckung. Sofort lud sie beide Pistolen nach. Sie spähte um die Ecke um zu schießen, doch schon riss eine Kugel ihren Arm weg. Sie schrie kein einziges Mal, sie verzog nur ein bisschen das Gesicht. Sofort hatte sie einen Verband zur Stelle, um die Wunde zu schließen. Nachdem July verletzt wurde, wagten sich weder Fleur noch ich aus der Deckung. Der Van wurde immermehr beschädigt, mit diesem weiterzufahren erwies sich als unmöglich. July schoss trotz ihrer Verletzung hin und wieder aus der Deckung, doch dann ging ihr die Munition aus. Auch ich überwand mich zum Feuer erwidern, doch auch mir ging nach einiger Zeit die Munition aus. Da Fleur sich nicht zum schiessen traute, nahm ich auch ihre Pistole, doch die war noch schneller leer und alle Magazine waren aufgebraucht. July lehnte schon am Van und hatte die Hoffnung aufgegeben. Auch mir kamen die Gedanken, das wir verloren waren. Von der Richtung des LKWs schrien einige Männer spanische Anweisungen. Die Schritte kamen näher. Fleur hatte schon ihre Hände hinter den Kopf gelegt. Dann plötzlich näherte sich ein weiterer Motor... oder waren es zwei? Plötzliche schallte es englische Befehle: „Formation bilden, Feuern nach eigenem Ermessen!“ In der Luft krachten Salven aus M16 Gewehren. Hatte ich schon lange nichtmehr gehört. Dann plötzlich riss ich die Augen auf. M16? Nur amerikanische Soldaten trugen eine M16! Nachdem alles still war, schrie wieder jemand auf Englisch: „Langsam und unbewaffnet herauskommen!“ Ich, July und Fleur folgten der Anweisung. Vor uns standen zwei Amerikanische Armee Hummvee-Jeeps, jeweils mit einem Maschinengewehr oben drauf montiert. Die Soldaten im inneren der Fahrzeuge trugen amerikanische Soldatenrüstungen, mit aufgedruckter Amerika-Flagge. Der Mann im linken Hummvee symbolisierte den Schützen vor den Jeeps die Gewehr zu senken. Er fragte mich: „Wer sind sie?“ Daraufhin antwortete ich: „Ich bin Matthew. Das neben mir ist July Coleré und Fleur ...“ Fleur ergänzte mich: „Lavíre.“ Also sprach ich weiter: „Fleur Lavíre. Wir sind Mitglieder der Marseille'er Unabhängigkeitskämpfer.“ Der Mann hinter dem MG antwortete: „Ich bin Sargeant Willis. Das hier ist mein Platoon, der D-Zug. Wir sind die letzten amerikanischen Soldaten in Frankreich.“ Er deutete auf den zweiten Hummvee: „Da sind noch drei Plätze frei. Wollt ihr vielleicht mitkommen?“ Fleur erwiderte überglücklich: „Ja, Sir, bitte nehmen sie uns mit!“ Schließlich nickte der Sargeant und wir stiegen ein. Die Fahrt ging weiter. Im hohen Tempo ging es weiter, einer der Soldaten warf das Radio auf voller Lautstärke an. Laut sangen alle Soldaten im Chor mit: „Round Round Get Around – I get Around! Get Around, Woohoohoo, I Get Around! ...“ Ich schnippte den Takt mit. July sah mich nur kurz verwundert an, dann sah sie wieder zum Fenster. Fleur schnippte ebenfalls begeistert im Takt mit. Der Soldat am Steuer sah uns lächelnd an: „Ihr seid ein hübsches Paar. Wie habt ihr euch kennengelernt?“ July lächelte nur still in sich hinein, Fleur wurde rot vor Verlegenheit. Ich warf zurück: „Oh, wir sind kein Paar. Einfach nur gute Freunde.“ Der Fahrer lachte kurz: „Oh mein Gott, Sorry. Ihr passt einfach äusserlich zusammen!“ Fleur sah mich mit einem verlegenen Lächeln an, und July setzte sich vorne neben den Fahrer. Sie unterhielt sich mit ihm über ihre Waffenvorlieben und so etwas. Aber ich wusste genau, das sie das tat um mir und Fleur die Chance zu geben, allein zu sein. Fleur sah mir tief in die Augen. Sie saß vor dem Fenster, sodass sich hinter ihr die Sonne und die Wälder vorbeischoben. Ich wünschte mir, das dieser Augenblick niemals aufhören würde. Doch in dem Moment knackste das Funkgerät auf dem Sitz neben mir. Der Sargeant war zu hören: „Hier Willis. Wir fahren Lamage an, dort machen wir Pause. Hallo? Private Smithers?“ Ich drückte dem Fahrer den Funkhörer in die Hand. Kurz wechselte er noch einige Worte, dann gab er ihn mir zurück. Fleur hatte ihre Augen geschlossen und lehnte am Fenster. Also ließ ich sie in Ruhe. Der Private legte einen Gang höher und wir fuhren um einiges schneller. Der Soldat oben am MG trat herunter und bat nach einer Ablösung. July stellte sich sofort zur Verfügung und sie setzte sich oben auf das Dach. Der Fahrer wechselte die CD aus und wir durften dem Song God's Country zuhören. Ich musste etwas überlegen, wie man in so einer Weltsituation dieses Lied hören konnte. Aber nach kurzer Zeit fiel es mir auch schon ein – die Amerikaner waren ja unglaubliche Pazifisten. Nach ein paar Minuten fuhr der Private am Steuer eine Ausfahrt an. Wir sahen eine Tankstelle, bewacht von einigen in schwarz gekleideten, bewaffneten Männern und Frauen. Ob das auch Unabhängige waren? Als wir mit der amerikanischen Musik vorbeirauschten, sahen uns alle an. Einige wanken uns sogar zu. Ich fragte den Mann vom MG mit Verwirrung: „Sind sie auf der Seite der Unabhängigen?“ Er musste lächeln und meinte: „Das erklärt ihnen lieber mein Sarge. Ich bin schlecht in sowas.“ Unauffällig nickte ich nur und der Humvee hielt an. Um die Lage zu erkunden, ging ich zu einem der unabhängig aussehenden Kämpfer. Ich sprach ihn an: „Was ist das hier?“ Er sah mich misstrauisch an und fragte: „Von wo bist du?“ Ich antwortete, um nicht meinen Gedächtnisverlust zu erwähnen: „Aus Marseille. Mein ganzes Leben war ich bisher dort unten.“ Ein kurzes Lächeln kam über ihn und er erwiderte: „Hier in Nordfrankreich sind neutrale Zonen. Es herrscht kein allgemeiner Krieg. Die Raststätten hier an der Autobahn sind zum Beispiel die einzigen Orte an denen man noch rechtmäßig etwas kaufen kann. Von Essen bis zu Großkalibriger Munition. Und eine Währung haben wir hier auch.“ Interessiert sah ich ihn an: „Und die wäre?“ Er zückte einen kleinen Beutel, darin holte er eine Kugel hervor und antwortete dann: „Patronen.“ Verblüfft nickte ich und hackte noch nach: „Das heißt, hier gibt es nirgends Krieg?“ Doch er musste mich enttäuschen: „Doch, russische Kommunisten beziehen hier Lager. Und sie vernichten alle. Sogar Zivilisten. Sie wollen sich durchsetzen, aber wir bekämpfen sie.“ Dann starrte er mein Outfit an: „Du siehst aber nicht aus wie einer der amerikanschen Soldaten.“ Etwas gekränkt stimmte ich ihm zu: „Ja. Sie nehmen uns mit. Wir müssen nach Besançon.“ Ziemlich enttäuscht nickte er und verabschiedete sich. Der Sargeant rief mich zu ihm. Also lief ich zu ihm und wir gingen gemeinsam in das Rasthaus der Tankstelle. Er kaufte sich einige Packungen Zigaretten, viele Nahrungsrationen und natürlich Munition. Als der Kassierer die vorgelegte Liste zusammenstellte, fragte ich den Sarge kurz: „Sir, warum sind amerikanische Soldaten hier so beliebt?“ Daraufhin läächelte er. Der Kassierer gab uns die Kartons mit dem Inhalt der Liste. Ich nahm einen Karton, der Sarge den anderen. Schließlich bedankte sich der Sarge noch kurz beim Kassierer und wand sich dann zu mir: „Weil wir einen Freifahrtschein haben. Alle Fraktionen in ganz Frankreich hatten 2018 noch einen Friedensvertrag mit den U.S.-Marines geschlossen. Tja, und dieser gilt bis heute noch. Wer uns angreift, bekommt es mit den gesamten übrigen Marines auf der Welt zutun.“ Erfreut ging ich zurück zum Hummvee, July saß oben am MG und unterhielt sich mit dem MG-Schützen, der neben ihr auf dem Dach saß. Der Sarge gab ein Handzeichen, und die Fahrer warfen ihre Zigaretten weg, sprangen ins Auto und starteten die Motoren. Ich nahm auch noch schnell Platz im zweiten Hummvee, und wir fuhren wieder los. Der Fahrer legte in den CD-Spieler eine Creedence Clearwater Revival CD ein. Alle Soldaten grölten laut die Vietnam-Songs mit. Die Jeeps glitten geradezu über die Autobahn. Die Autobahn war einmal vierspurig, doch durch die schlecht instandgehaltene Straße mussten wir ständig die Spur wechseln, manchmal war es sogar nur eine. Ich klappte meinen Sitz nach hinten, und schloss meine Augen. Etwas Schlaf nach all der Aufregung konnte nicht schaden.

 

Eine zarte Hand weckte mich. Langsam klappte ich meine Augen auf. Fleur streichelte meine Wange, wieder mit ihrem unwiderstehlich charmantem Lächeln. Kurz lächelte ich zurück und setzte mich auf. Sie fragte fürsorglich: „Gut geschlafen?“ Ich nickte ihr nur vertraut zu, dann klopfte ich dem Fahrer auf die Schulter und erkundigte mich: „Wie weit ist es noch bis Lamage?“ Er wollte wegen der lauten Musik nicht so schreien, deshalb zeigte er mir einfach nur 5 Finger. In 5 Minuten waren wir also an der Ausfahrt. Aus Zeitvertreib sah ich auf den hinteren Hummvee. Den Männern wurde offenbar langweilig. Einer warf einen Football seitlich aus dem Wagen, und die anderen versuchten ihn mit dem Gewehr zu erwischen, nach dem klassischen Tontauben-Prinzip. Der Wagen schlug eine Kurve. Wir waren wohl an der Ausfahrt. Der Fahrer stellte die Musik etwas leiser. Der MG-Schütze grub eine Schussweste mit amerikanischen Tarnfarben aus seinem Gepäck heraus, und gab sie mir. Ich zog sie sofort über mein T-Shirt. July bekam eine Regenjacke mit Army-Farben und Amerika-Flagge auf der Rückseite. Sie bestand nämlich darauf einen Ersatz oder mindestens etwas ähnliches wie ihre Lederjacke zu bekommen. Stolz trug ich die Armee-Farben. Schließlich fuhren wir durch die Hauptstraße des Dorfes. Smithers hatte die Musik jetzt ganz abgestellt, denn irgendwo auf der Straße schallte ein Radio mit Rap-Musik. Wir fuhren etwas schneller als Schrittgeschwindigkeit, da alle ersteinmal die Straße räumen mussten. Alle starrten uns an. Die jenigen mit amerikanischen und französischen Gesichtszügen bejubelten uns. Immer wieder fielen Sprüche wie: „Sie sind hier! Sie sind hier!“ oder „Wir sind frei! Sie sind gekommen um uns zu befreien!“. Der Sargeant salutiere abwechselnd nach links und rechts um die Leute zu grüßen, jedenfalls sah ich das als ich mich umdrehte. Ich saß hinten auf dem Hummvee und ließ die Beine hängen. Ein kleiner Junge, vielleicht gerade mal 8 Jahre alt, kam mit einer Packung Zigaretten zu mir und drückte sie in meine Hand: „Die sind für Sie, Sir.“ Als Dank zückte ich drei Patronen und gab sie ihm. Er fing an überglücklich zu strahlen und bedankte sich hektisch: „Sir, danke, Sir. Vielen Dank, Sir.“ Dann rannte er davon. Wir bogen in eine Seitenstraße, dort schallte die Musik schon etwas weiter entfernt, und kaum jemand war auf den Straßen. Ich stand auf, und Smithers bat mich das MG zu besetzen. Also klemmte ich mich dahinter. Fleur schlief immernoch. Sie war wohl übermüdet. Ich nahm an, das sie eine solche Aufregung nicht gewohnt war. Als wir an eine unbenutzte Fußgängerzone kamen, standen einige Männer und Frauen in einer Reihe mit dem Gesicht zur Wand. Sie hielten ihre Hände hinter den Kopf. Dahinter standen einige Soldaten, in rote Rüstungen eingekleidet mit einer sowjetischen Flagge am Ärmel. Alle trugen russische Sturmgewehre auf den Schultern. Plötzlich schrie jemand einen russischen Befehl und jemand übersetzte das auf Englisch und Französisch. Die Männer und Frauen gingen in die Knie. Hinter jede Person stellte sich ein Soldat, nahm sein Sturmgewehr von der Schulter und lud es durch. Erneut klang ein russischer Befehl. Alle Soldaten legten die Gewehre an. Smithers griff panisch zum Funkgerät: „Zivilistenhinrichtung, direkt neben uns!“ Dann hielt er kurz inne um zuzuhören. „Verstanden, Sir.“ Er warf den Hörer weg. Smithers, der MG-Schütze und July stiegen aus dem Hummvee. Der MG-Schütze war der erste der sein Gewehr durchlud und anlegte. Smithers tat nach ein paar Sekunden dasselbe. Ich drehte das Maschinengewehr zur rechten Seite, an der Stelle, an der die russischen Soldaten standen. Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, das die Besatzung des anderen Hummvees ebenfalls ausstieg und die Gewehre anlegte. Der russische Kommandant drehte sich unbewusst um. Als er uns erblickte schritt er auf den Sargeant zu und fuhr ihn an: „Sie haben kein Recht sich hier aufzuhalten! Ischezaet! Verschwindet!“ Der Sarge setzte seine Sonnenbrille auf, und gab vollkommen gelassen zurück: „Wir denken ja garnicht daran.“ Der russische Kommandant wollte sein Gewehr heben, doch der Sarge fing es auf, warf es weg, zog blitzschnell seine Pistole, presste sie dem Kommandanten ans Kinn und drückte ab. Die russischen Soldaten hatten uns nun auch bemerkt, und zielten auf uns. Plötzlich war der Sargeant verblüfft und gab an seine Einheit: „Abrücken. Das sind zuviele, los, abrücken!“ Alle folgten verwirrt dem Befehl und setzten sich in ihre Hummvees. Der Sarge setzte sich ans Steuer des zweiten Hummvees. Ein Mann aus der Reihe stand auf, drehte sich um und trat hervor. Ein russischer Soldat hielt ihm sein Gewehr an den Kopf. Der Mann fing an in einem gebrochenen Englisch mit tschechischem Akzent zu sprechen: „Nicht weggehen. Ihr uns helfen, bitte!“ Der Sarge startete den Motor des Hummvees. Der tschechische Mann rief nocheinmal: „Bitte!“ Der Soldat drückte ab. Leblos klappte der Mann zu Boden und lag in seiner eigenen Blutlache. Der Sarge ließ seinen Kopf auf das Lenkrad kippen. July verzog ihr Gesicht, zückte ihre Pistolen und zielte auf die Russen. Smithers befahl: „Gebt ihr Deckung!“ Alle Männer sprangen aus den Wägen, gingen in die Hocke und legten die Gewehre an. Auch ich zog den Hebel des Maschinengewehrs zurück um zu feuern. In wenigen Sekunden war alles vorbei. July erschoss die ersten Beiden, den Rest erledigten die amerikanischen Soldaten. Auch ich gab viele Salven aus meinem Maschinengewehr ab. Die Frauen und Männer sahen sich kurz um und bedankten sich auf tschechisch. Doch ein alter Mann blieb stehen und sah uns an. Schließlich sagte er irgendetwas auf russisch. Smithers riss sein Gewehr wieder hoch, doch der MG-Schütze packte es und drückte es wieder nach unten. Er antwortete plötzlich etwas auf russisch. Der Mann nickte und lief davon. Der MG-Schütze starrte mich an. Ich verstand garnichts. Schließlich lief er zum Sarge und flüsterte etwas in sein Ohr. Daraufhin lief der Sarge zu mir und fragte: „Sie wollen also nach Besançon.“ Ich wollte ihn unterbrechen: „Ja, aber...“ Doch er redete weiter: „Wir bringen sie hin. Der russische Knacker arbeitet für Amira als Informant.“ Ich nickte nur verblüfft und stieg wieder in den Hummvee. Wir setzten uns wieder langsam in Bewegung. Mir wurde es langsam zu viel. Ich musste unbedingt herausfinden, wer ich war. Noch dringender als sonst. Fleur schlief immernoch im sitzen. Sie wechselte die Seite und lehnte ihren Kopf an meine Schulter. Sie tat es zwar unbewusst, doch mir kam es irgendwie tröstend vor. Also lehnte ich meinen Kopf an ihrem an und starrte ins Leere. Ich wollte einfach nur nachdenken. Der Sarge befahl nach 10 Minuten Fahrt, als wir ein kleines Stück ausserhalb von Lamage waren, rechts heranzufahren. Dann ließ er den Trupp vor ihn treten. Er rechtfertigte sich: „Leute, dieser tschechische Mann, der draufgegangen ist... es war meine Schuld. Ich dachte ohne Anführer haben die Russen keine Moral mehr. Ich...“ Der MG-Schütze trat hervor und bemerkte in seiner tiefen, maskulinen Stimme: „Sir, es war vollkommen in Ordnung. So arbeiten wir normalerweise, niemand konnte das einschätzen. Dieser Mann ist ein Kolleteralschaden den wir hinnehmen müssen.“ Der Sarge blickte auf den Boden. Er machte wieder eines seiner militärischen Handzeichen und alle stiegen in die Hummvees. Smithers warf wieder die CD von den Beach Boys ein, und alle bekamen wieder gute Laune. Während alle anderen wieder „Football-Tontauben-Schiessen“ betrieben, saß ich wieder neben Fleur. Ich genoss ihren schönen Anblick. Nur wundert mich immernoch, was sie an mir findet. Mit ihrem Erscheinungsbild hätte sie jeden haben können. Der Soldat am Maschinengewehr des Hummvees hinter uns verkündete per Megafon: „Wir steuern Besançon an. Wir fahren die nächsten 4 Stunden durch, dann steuern wir eine Tankstelle an. Dann geht es die nächsten 2 Stunden weiter.“ Die Stimmen wurden kurz laut, weil sich alle über den Plan austauschten. Doch dann stiegen wieder alle in den Song ein: „Inside, Outside USA, Inside Outside USA, everybody be surfin'... Surfin' USA...“ Fleur nahm meine Hand. Wir beide sahen uns seitlich an, ihr Gesicht lag ganz nah vor meinem. July sah uns beide im Augenwinkel an, doch sie interessierte sich mehr für die sonderbare amerikanische Musik. Fleur sah mir tief in die Augen. Sie berührte kurz meine Wange. Am Horizont explodierte etwas. Instinktiv sah ich natürlich sofort hin, also drehte ich meinen Kopf zum linken Fenster. Doch Fleur nahm mein Kinn, drehte meinen Kopf zu ihr und sie gab mir einen kurzen Kuss. Zuerst konnte ich mich kaum bewegen, doch dann setzte sie ihr Lächeln auf. Ihre Augen funkelten. Keine Ahnung warum, doch ich nickte ihr verlegen zu. Daraufhin zeigte sie beim Lächeln nun auch ihre Zähne. Nun drehte ich mich aber wieder dorthin, wo die Explosion zu sehen war. An der Stelle war noch eine Rauchsäule. Der MG-Schütze beruhigte mich und meinte nur: „Dort hinten liegt Lyon. Das umfahren wir immer. In Lyon herrscht der schlimmste Krieg. Deshalb meiden die meisten Aussenstehenden diese Stadt.“ Aber da musste ich nocheinmal nachhacken: „Wenn es in Lyon schon so schlimm ist, wie ist es dann in Paris?“ Daraufhin schwieg er, aber gab mir dann doch eine knappe Antwort: „Schlimmer.“ Als ich mich nach rechts drehte, sah ich immer noch, wie Fleur mich verehrend ansah. Ich legte meine Hand auf ihren Hinterkopf und näherte mich ihr. Daraufhin gab sie mir diesmal einen langen, leidenschaftlichen Kuss. Als sie sich wieder normal hingesetzt hatte, grinste July mich beglückwünschend an und bemerkte dann spöttisch: „Ihr zwei Turteltäubchen.“ Fleur fing plötzlich an aus dem nichts zu prusten und zu lachen. Ich ließ mich davon anstecken. Die Stimmung war garnicht auszudrücken... ich war einfach nur glücklich. July sah wieder aus dem Fenster. Ich selbst beruhigte mich wieder etwas und legte meinen Arm um Fleur, daraufhin legte sie ihren Kopf auf meiner Schulter ab. Die Fahrt zog sich weiter hin. Nach einigen Minuten packte der MG-Schütze einige Footballs aus seinem Rucksack aus. Schließlich klopfte er mir auf den Arm: „Na los. Tun wir was um die Zeit zu vertreiben.“ Lässig lächelte ich ihn an und zückte meine Pistole, dann stellte ich mich hinten auf den Ladeteil des Hummvees. Er erkundigte sich: „Bereit?“ Zuverischtlich nickte ich und er warf einen Ball. Dreimal schoss ich hinterher, doch ich traf nicht. July bemerkte: „Vorhalten, Matt. Vorhalten.“ Ich holte tief Luft, legte die Pistole an und schrie: „Ball!“ Der Schütze warf den nächsten. Diesmal zielte ich etwas unter den Ball, beim zweiten Schuss traf ich. July klatschte kurz. Fleur sah mir bewundernd zu. Das gab mir Mut. Also legte ich wieder an und schrie: „Ball!“ Diesmal traf ich sogar direkt beim ersten Versuch. So zog sich das die nächste Stunde hin. Bei den amerikanischen Soldaten fühlte ich mich wohl, das bemerkte ich nach diesem vertrauten Zeitvertreib.

 

Über uns schob sich ein Autobahnschild mit der Aufschrift 1 km de Besançon hinweg. Wir waren also bald da. Das Funkgerät am Fahrersitz knackte. Förmlich nahm Smithers den Hörer und meldete sich: „Wagen 1 hört.“ Der Empfang war schlecht, so verstand ich nur ein Rauschen. Smithers verzog sein Gesicht und antwortete: „Ja, Sir. Wir werden das sofort überprüfen, Sir.“ Smithers drückte mir ein Fernglas in die Hand und wies mich an: „Sieh dir die Kleinstadt genau an. Sag mir, was du siehst.“ Verwirrt sah ich ihn an und packte das Fernglas. Ich sah hindurch und schweifte über den kleinen Ort. Während des Durchsehens gab ich an ihn weiter: „Ziemlich viele Leute. Zerstörte Häuser. Zum großen Teil...“ Da bekam ich kurz einen Schock und fuhr fort: „Russische Soldaten.“ Smithers gab das ganze hektisch weiter. Der Sarge klang mehr als wütend. Smtihers klinkte den Hörer wieder in die Vorrichtung. Dann wandte er sich zu uns: „Wir haben leider andere Aufträge. Wir wollten euch nur nach Besançon bringen, mehr ist nicht drin. Deshalb müssen wir improvisieren. Die Russen haben Besançon offensichtlich besetzt und kontrollieren es wohl nun auch. Wir können nur hoffen, das Amira noch lebt. Also, der Plan sieht folgendermaßen aus...“ Fleur sah Smithers erschrocken an. Sie wollte offenbar nicht nocheinmal kämpfen. „...da wir das Waffenruhenabkommen haben, dürfen wir nicht angegriffen werden. Ihr allerdings schon. Wir werden uns zu Fuß bewaffnen und euch durch den Kontrollposten schleusen.“ July schien mit dem Plan einverstanden zu sein, doch dann stellte sie fest: „Und wie kommen wir wieder raus?“ Smithers senkte seinen Blick. July wusste was das bedeutete – wir mussten selbst eine Lösung finden. Doch er versuchte uns zu trösten: „Die Schusswesten dürft ihr behalten. Sie bekommt auch eine.“ Fleur nickte. July überprüfte ihre Pistolen und holsterte sie wieder. Dann bemerkte sie: „Also von mir aus können wir.“ Dann sah sie zu uns: „Seid ihr soweit?“ Nachdem Fleur ihre Weste angezogen hatte, bestätigte sie ihr das. Entschlossen bemerkte ich: „Wir sind soweit.“ Smithers fuhr den Wagen rechts heran. Sowohl unser Hummvee, als auch der hintere wurde komplett abgesetzt. Der Sarge rief seinen Männern zu: „Drei bleiben hier und bewachen die Jeeps. Der Rest lädt durch und sichert. Dann bilden wir ein Schutzviereck. Die drei stellen sich rein.“ Smithers richtete sein Gewehr nach oben und zog am Ladehebel. Die Anderen taten dasselbe. Sie bildeten eine Kastenformation um uns herum. Wir liefen zwar nur ein paar Minuten, doch für mich blieb die Zeit stehen. Jeden Moment hätten wir enttarnt werden können. Wir näherten uns einem großen, militärischen LKW der wohl als Truppentransporter fungierte. Er hatte an der Seite eine sowjetische Flagge aufgedruckt. So wie die Solaten um ihn herumstanden wurde er wohl vorrübergehend als Kontrollhäuschen benutzt. Weiter links waren schon einige Gefreite damit beschäftigt ein hölzernes Kontrollhäuschen zusammenzuhämmern. Der Sarge gab uns ein Handzeichen, das wir stehen bleiben sollten. Der Sarge nahm den MG-Schützen an seiner rechten mit und ging auf den russischen Kommandanten zu, der ihn nicht finster, sondern eher genervt ansah. Vermutlich waren das wahre Kommunisten. Also solche, die nur auf Leute schießen, wenn es berechtigt war. Sie waren zu weit entfernt, um zuhören zu können. Das Hämmern der Gefreiten übertönte das Gespräch, so nahmen wir nur Mundbewegungen und einige Gesprächsfetzen wahr. Offensichtlich verlief die Unterhaltung ganz entspannt, der russische Kommandant redete viel mit seinen Händen mit. Der Sarge drehte sich um und zeigte kurz auf mich, July und Fleur. Der Kommandant sah uns kurz an, dann drehte er sich wieder zum Sarge. Wahrscheinlich verlangte der Kommandant irgendwas, denn der Sarge rollte kurz seine Augen. Plötzlich zog der Sarge ein Magazin aus einer seiner Taschen am Gürtel. Er öffnete den Verschluss unten und ließ die Patronen herausfallen. Den Patronenhaufen gab er dem Kommandanten in die Hand, ich verstand nur das Wort „Passiergebühr“. Dann verstand ich was er meinte. Der Kommandant salutiere kurz zum Sarge, holte drei kleine, ausweisähnliche Papierstücke heraus und stempelte sie. Der Sarge nahm sie dankbar entgegen und widmete ihm ebenfalls einen kurzen Salut. Er ging zu uns zurück, und gab jedem einen Ausweis. Daraufhin merkte er an: „Verliert sie nicht. Mit denen kommt ihr auch ungehindert wieder heraus.“ Dankbar nickte ich ihm zu und stecke ihn in eine der sicheren Reißverschlusstaschen der Armee-Weste. Wir passierten den Kontrollposten, ohne einen einzigen misstrauischen Blick mitzubekommen. In den Augen der Soldaten waren wir wohl normale Reisende. Ich, Fleur und July drehten uns um und wanken dem Sarge und seiner Kompanie nocheinmal zu. Sie erwiderten das kurz, drehten sich um und liefen wieder zu ihren Hummvees. Wir waren angekommen. In Besançon. Am Straßenrand saß ein normal aussehender Mann hinter einem Tisch, auf dem Tisch stand ein Schild mit der Aufschrift Cartes et informations. July zückte eine Patrone und schob sie über den Tisch. Daraufhin bekam sie einen Stadtplan. Sie fragte noch kurz: „Amira?“ Der Mann hinter dem Tisch sprach in gebrochenem Englisch: „Amira meistens in Kirche um diese Zeit.“ Dankend nickte sie ihm zu und wir liefen die Straße herunter. Die Kirche war leicht zu finden. Wir liefen die Straße herunter. In dem Ort war es ziemlich leer, wahrscheinlich wagte sich wegen den Russen keiner mehr aus dem Haus. Wir näherten uns der Kirche. Einige russische Soldaten grüßten uns sogar: „Dobrí Den. Willkommen in Besançon.“ Fleur nickte einfach nur freundlich zurück. Vor der Kirche blieb July stehen und meinte zu mir: „Ich warte hier draussen. Fleur, ich schlage vor das du auch hier bleibst. Das ist allein Matt's Sache.“ Fleur gesellte sich zu July und sie warteten vor den Kirchentoren. Ich breitete meine Arme aus und schob die hohen Türen auf. Im Kirchenschiff war so gut wie keiner. Nur sehr wenige. Hinter dem Altar stand allerdings jemand. Ich ging vor und erkundigte mich: „Pater... wo finde ich Amira?“ Er antwortete mir nicht, er zeigte nur auf ein ungefähr 20 Jahre altes Mädchen in der ersten Reihe. Ich setzte mich neben sie. Sie war gerade vertieft, da sie ihre Augen geschlossen hatte und betete. Nach kurzer Zeit bemerkte sie mich und fragte: „Wer bist du?“ Etwas unsicher gab ich zurück: „Ich bin Matt. Jedenfalls habe... ich mch so genannt. Ich bin aufgewacht und hatte kein Gedächtnis.“ Fassungslos starrte sie mich an und umarmte mich. Etwas verwundert sah ich über ihre Schulter hinweg, und sie fing plötzlich an zu schwärmen: „Du bist also doch nicht tot!“ Sie nahm meine Hand und zog mich in ein Hinterzimmer. Sie fuhr fort: „Du bist wohl total überfordert. Das mit dem Gedächtnisverlust, dein Ausgangsort... ich kann dir alles erklären.“ Ich nickte nur neugierig. Schwärmend fuhr sie fort: „Du bist mein Bruder. Wir waren bei irgendeinem amerikanischen Geheimdienst, als 2019 diese internationale Krise ausbrach. Wir wurden beide in einen künstlichen Schlaf versetzt, um hier in dieser Zeit wieder alles geradezurücken. Als Botschafter fungieren. Die Ordnung wieder herstellen.“ Das klang mir alles ziemlich durchgeknallt. Irgendwie konnte ich das nicht glauben. Also stellte ich ihr die ersten Fragen die mir einfielen: „Wieso sind wir Geschwister? Das hat doch garnichts mit der Geheimdienst-Arbeit zutun. Und wieso bin ich so spät aufgewacht? Warum sollen ausgerechnet wir den Frieden wiederherstellen? Und wie?“ Sie war verblüfft, aber sie gab auf jede Frage eine gründliche Antwort: „Das mit dem Geschwisterdasein ist wirklich Zufall. Das du so spät aufgewacht bist, war ein Risiko, das hatten sie uns damals auch erklärt, das es eventuell passieren könnte das wir zu spät aufwachen. Warum wir? Wir waren damals die besten. Und wie... das kann ich dir nicht sagen. Ich hab es aufgegeben.“ Also stellte ich fest: „Was sollen wir dann deiner Meinung nach tun?“ Sie gab knapp zurück: „Leben.“ Und ging aus dem Raum. Ich lief ihr nach, doch sie war schon aus der Kirche hinaus. Draussen am Vorplatz sah ich mich hektisch in alle Richtungen um. Doch sie war verschwunden. Unter der ganzen Last packte ich mich am Kopf und sank auf die Knie. Das wollte ich nicht wahrhaben. Dafür war ich niemals hier. Fleur kam zu mir und gab mir einen Zettel. Dann fragte sie fürsorglich: „Alles okay mit dir? So ein Mädchen kam aus Kirche und hat mir diesen Zettel gegeben...“ Ich ignorierte sie beinahe, doch ich zwang mich zu einem Nicken. Dann faltete ich den Zettel auf und las Komm nach Kiew, Ukraine. Dort wartet jemand auf dich, der dir helfen kann. Sofort stellte ich mich wieder aufrecht hin, packte July und Fleur am Arm und zog sie mit mir. July stoppte mich nach einiger Zeit und fragte nach: „Matt! Was ist los?“ Hektisch antwortete ich: „Wir müssen nach Kiew!“ Sie runzelte die Stirn und meinte: „Okay. Aber mit dem Auto ist das zu weit. Das schaffen wir nicht. Wir brauchen ein Flugzeug... die sind aber selten. Helikopter gibt es bestimmt noch. Suchen wir ein Funkgerät. Der MG-Schütze hat mir die Funkfrequenz der Hummvees gegeben. Wir können ihn fragen, wo es welche gibt – er weiß das bestimmt.“ Ich atmete immernoch schwer. Fleur erkundigte sich schon bei einigen russischen Soldaten, wo man einen Funkspruch abgeben könne. Einer von ihnen verwies uns zu einem gewissen Feldwebel Pjortrwitsch. Fleur kam zu uns zurück und verkündete das. Also liefen wir die Straßen entlang und fragten an jedem russischen Kommandoposten nach Pjotrwitsch. Nach einer einstündigen Suche gaben wir es auf. Fleur nahm meine Hand und sprach mir etwas an tröstenden Worten zu: „Es eilt doch bestimmt nicht so sehr. Dieser Soldat ist vielleicht gerade woanders zur Stelle.“ Bedrückt nickte ich. Ich wollte den Soldaten so schnell wie möglich finden und nach Kiew. Für mich ergab nichtsmehr einen Sinn. Wir waren gerade in einer Seitenstraße als hinter uns jemand zischte. Er trug eine russische Gardenuniform. Misstrauisch sah ich ihn an und er trat zu uns. Dann meinte er: „Dobrí Vecher. Guten Abend. Sie suchen Dobregent Pjotrwitsch, nicht wahr?“ Schon wieder jemand der über uns Bescheid wusste, obwohl ich ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Er sprach weiter: „Erinnern sie sich an mich? Der Kommandant, der ihnen die Passierscheine ausgestellt hat. Ich habe sie heute oft bei den Kommandoposten gesehen, und da war mir klar das sie Pjotrwitsch suchen.“ Darauf war ich nicht gefasst. Wir kannten ihn also doch. July sah ihn finster an doch fragte sie nach: „Können sie uns zu ihm bringen?“ Der Kommandant nickte und erwiderte: „Da. Natürlich. Er ist mein Vorgesetzter.“ Ich nahm das Angebot vorsichtig an: „Gut, bringen sie uns zu ihm.“ Der Kommandant wank uns zu sich und wir folgten ihm durch die Straßen. Überall kamen aus den verwahrlosten Häusern russische Soldaten und konfiszierten... alles. Hier und da sah man oftmals einige Soldaten mit Hausbesitzern streiten. Wir kamen an einem Kontrollhäuschen an, wieder mit sowjetischer Flagge. Heraus trat ein kräftiger Mann, er hatte noch einen Stapel Papier in der Hand den er in Ruhe durchlas. Der Kommandant sprach kurz etwas auf russisch. Der Mann sah ihn nichtmal an, er wank ihn nur ab und bemerkte etwas auf russisch. Er wirkte ziemlich genervt. Der Mann sah kurz auf und grüßte uns. Schließlich sank er den Papierstapel und sah uns mit verschränkten Armen an: „Kann man euch irgendwie helfen?“ Fleur traute sich nicht zu reden, ich konzentrierte mich noch völlig auf die Erscheinung des Mannes. Also kam July zu Wort: „Wir möchten einen Funkspruch absenden.“ Er musste kurz lächeln und bemerkte: „Das wollen viele. Habt ihr auch eine Art Vorstellung an wen? Beziehungsweise wohin ihr das senden wollt?“ July nahm unbeeindruckt einen Zettel aus der Tasche, auf dem eine Funkfrequenz draufgekrizelt war. Er sah uns immernoch spöttisch an, doch als er die Funkfrequenz las stockte er. Er gab uns einen kurzen Salut. Eilig sperrte er das Kontrollhaus auf und ließ uns hinein. Dann bemerkte er noch freundlich: „Grüßt den Sargeant von mir. Und lasst euch ruhig Zeit.“ July nahm den Hörer und suchte die richtige Frequent. Fleur saß neben mir auf einem Stuhl und lehnte an meiner Schulter. Als es plötzlich knackste krallte July den Funkhörer fest und fragte hektisch: „Lima Two Charly? Lima Two Charly?“ Es war kurz ruhig, doch dann brach die tiefe Stimme des MG-Schützen durch den Raum: „Bestätigt. July, freut mich. Was gibt’s?“ July musste lächeln und meinte: „Wir brauchen einiges an Informationen. Hast du Zeit für uns, Troy?“ Daraufhin setzte ich auch ein lächeln auf. Sie kannte sogar den Namen von dem Schützen. Das Gespräch ging vorerst angeregt hin und her, doch dann wurde es formell. Er fing an wie eine Maschine herunterzurattern: „Helikopter findet ihr in Westeuropa keine mehr. Ich hab gehört im ehemaligen Österreich gibt es noch welche, aber die wollen keine hergeben. Ihr könntet es bei der Bundeswehr probieren. Die brauchen ihre Helis nicht.“ July fragte noch misstrauisch: „Bei den Deutschen?“ Troy bestätigte das: „Die Bundeswehr ist eine der wenigen Armeen, die noch intakt ist. Und sie werden euch helfen, ein großteil der Rekruten dort sind Unabhängige.“ July bedankte sich, tauschte noch einige Blödeleien mit ihm aus und beendete den Funkspruch dann. Fleur war an meiner Schulter eingeschlafen. Sie wollte am liebsten wieder zurück nach Marseille und garnichts tun, dachte ich mir. Ich rüttelte sie kurz wach und wir gingen aus dem Kontrollpunkt. Fleur und July gingen etwas voraus, als mich plötzlich jemand an der Schulter packte. Der Mann von eben stand mir gegenüber und reichte mir kurz die Hand: „Ich bin Feldwebel Pjotrwitsch.“ Verwirrt gab ich ihm die Hand, schüttelte sie kurz und sah ihn wieder an. Er vertraute mir etwas an: „Ich betreibe Hochverrat auf höchster Ebene. Schon seit einigen Jahren. Diese Kommunisten-Brut muss aus Frankreich verschwinden. Könntet ihr mir einen Gefallen tun?“ Misstrauisch hackte ich nach: „Worum geht es?“ Er suchte etwas aus seinem Papierstapel heraus und beschrieb mir sein Vorhaben: „Das Volk in dieser Kleinstadt wird ausgenommen. Bis auf’s letzte. Sorgen sie dafür, das sich die Leute wehren. Amira sagte, sie können das.“ Daraufhin rieb ich mir die Augen und erklärte ihm: „Hören sie, ich bin ein normaler Mensch wie sie, ich...“ Doch als ich aufblickte war er weg. Und ich wusste, ich konnte den Auftrag nicht ablehnen. Ich trat um die Straßenecke und holte die beiden ein. Dann erklärte ich, was ich zutun hatte. Fleur blickte nur leicht verständlich, vielleicht verstand sie das ganze garnicht oder sie interessierte sich schlicht und einfach nicht dafür. July allerdings fieberte schon beinahe mit. Nur der Satz, den sie mir zuwarf, als ich fertig war, stimmte mich schon etwas nachdenklich: „Und wie willst du das anstellen?“ Darauf fiel mir nur eins ein: „Ich weiß es nicht.“ Ich blickte mich um. Wir standen am Marktplatz, überall liefen die Leute umher. Die Häuser wurden ausgeräumt. Ich sah die russischen Soldaten genau an, genauso wie die Beraubten. Einer der Beraubten wehrte sich, und wurde auf Anhieb erschossen. Mich überkam eine Eingebung, und so redete ich vor mir hin: „Der Tod eines Menschen ist eine Tragödie...“ July sah mich fragend an und wartete darauf, das ich den Satz beendete. „...doch der Tod von Millionen ist nur eine Statistik. Das sagte Stalin einmal.“ July sah mich an und begriff vermutlich, was ich meinte. Fleur fragte nur: „Und?“ Siegessicher lächelnd sah ich sie an: „Ich habe die Lösung, was mein Problem angeht. Ich weiß, wie wir die Russen vertreiben.“ Ich sah mich um, nahm eine Kiste und stellte sie vor mich. Ich blickte mich nur kurz um, und stieg ohne zu Bedenken darauf und rief durch die Straßen: „Schließt euch zusammen! Lasst sie nicht die Oberhand gewinnen!“ Alle sahen zu mir hinauf. Ich fuhr euphorisch fort: „Sie können einen von euch töten! Sie können zehn von euch töten! Aber wenn sie alle töten, haben sie nichtsmehr. Schließt euch zusammen!“ Immer mehr Menschen versammelten sich, einige bewaffneten sich mit Schlägern, Steinen oder ähnlichem provisorischen. Daraufhin hob ich meine Faust und schrie nocheinmal: „Schließt euch zusammen!“ Die ganze Gruppe wiederholte das: „Wir schließen uns zusammen!“ Einige russische Soldaten richteten die Gewehre auf mich, July zückte sofort ihre Pistolen. Doch die Aufständischen waren schneller, und rissen die Soldaten zu Boden. Einer schnappte sich die Gewehre der Soldaten und verteilte sie in der Menge: „Wir lassen uns nicht unterdrücken! Verscheucht dieses Dreckspack aus unserer Stadt!“ Mit einem jubelnden Ruf folgten ihm die restlichen Aufsätndischen. Sie liefen durch die Straßen, aus den Häusern folgten noch viele weitere. Ich stieg gelassen von der Kiste herunter und sah Fleur an: „Menschen sind fehlbar.“ July korrigierte mich lächelnd: „Manipulierbar.“ Daraufhin ließ sie ihre Pistolen in ihren Halftern verschwinden und wir gingen Richtung Stadtausgang. Dort gab es bestimmt ein Gefährt, das uns bis nach Deutschland bringen konnte. Fleur nahm meine Hand und July schritt neben uns her. Ich fühlte mich unbeschreiblich. Die Krawalle der Aufständischen durchdrangen die ganze Stadt, immer weniger Kalaschnikows krachten, die Russen waren eindeutig unterlegen. Wir gingen einfach auf den Ortsausgang zu. Die Kontrollhäuschen standen in Brand, die Aufständischen hatten die Kontrolle erlangt. In nur wenigen Minuten war die Infrastruktur der Russen zusammengebrochen. Am Ortsausgang empfing mich ein kräftiger Mann und bedankte sich: „Ich war bei ihrer Ansprache dabei. Sie haben uns die Augen geöffnet.“ Rhetorisch bestätigte ich: „Das Volk ist eine der stärksten Waffen. Es war mir eine Ehre.“ Der Mann senkte sein Haupt etwas und meinte: „Es war mir eine Ehre. Können wir euch irgendwie helfen?“ Ich wollte ablehnen, doch July ergriff das Wort: „Wir müssen nach Deutschland. Könnt ihr uns ein Transportmittel besorgen?“ Er überlegte kurz, doch gab dann als Antwort: „Die Bahngleise bis Strasbourg müssten intakt sein. Unsere Züge wurden zwar komplett zerstört, aber das Bahnmuseum hat Gleise an der Hauptstrecke. Dort müsste eine Dampflokomotive stehen, sie sollte aber noch funktionstüchtig sein. Von Strasbourg könnt ihr mit einem Auto bis nach Karlsruhe. Dann seid ihr in Deutschland, wohin es dann weitergehen soll, könnt ihr selbst entscheiden.“ Fleur mischte sich ein: „Kann einer von uns zufällig eine Dampflok bedienen? Wusste ich. Wir brauchen jemanden, der die Lok fahren kann.“ Der Mann bot sich an: „Das mit dem Bahnmuseum konnte ich euch nur sagen, weil mein Großvater dort während der Vorzeit arbeitete. Als kleines Kind zeigte er mir, wie man eine solche Lok bedient.“ July nickte zufrieden: „Auf nach Strasbourg.“ Als wir die Straßen zum Bahnhof herunterliefen, wurde ich von allen angejubelt. Sie sahen mich offenbar als Retter. Und ehrlich gesagt genoss ich das auch. Am Bahnhof warfen mir einige noch Patronen zu. Fleur fing einige und bewahrte sie auf. Der Mann stellte sich noch kurz als Noah vor, und feuerte die Lok an. Schnaubend setzte sich das Ungetüm auf den Schienen in Bewegung. Ich wank noch einigen Leuten zu, doch immer weniger hielten dem Tempo stand und schließlich waren wir weg von der Stadt. Fleur setzte sich auf den Boden und lehnte sich an die Wand. Ich tat es gleich und wir beide lehnten aneinander. Sie gab mir kurz einen Kuss, dann versuchte ich zu schlafen. Die Aufregung in dieser Stadt musste ich nocheinmal in Ruhe überdenken, und mich dann ausruhen. Nach einiger Zeit klappte mein Kopf zurseite, und ich schlief ein.

Einige Zeit war ich schon wach, und ich sah Noah beim fahren zu. Diese ganzen Hebel die er bediente, jeden seiner Blicke. July half beim anfeuern der Lok, mit den schweren Kohlen schien sie kein Problem zu haben. Ich stand auf und und tippe Noah kurz auf die Schulter. Überraschend blickte er sich um und meinte nur: „Ah, Matt, freut mich, das Sie wach sind.“ Etwas unauffälig bat ich ihn: „Kommen wir unterwegs irgendwohin, wo man handeln kann? Wir brauchen neue Waffen. Und Verpflegung wäre auch nicht schlecht.“ Er grinste nur: „Keine Bange. Wir steuern in Kürze Colmar an.“ Der Vorsicht halber fragte ich nach: „Wie ist es dort?“ Schwärmend fing er an zu reden: „Nunja, die Stadt ist wunderschön. Die Straßen sind ebenerdig gebaut, und...“ Ich unterbrach ihn mit einem Kopfschütteln: „Nein, nein. Ich meine die Kämpfe.“ Daraufhin zuckte er nur mit der Schulter: „Der schweizerische Söldnerverbund hat dort einen Sitz. Sie sind im Krieg mit Iberien, also Spanien und Portugal, wie die Franzosen, ausserdem setzen sie nicht viel auf Anarchie. Ein System gibt es dort aufjedenfall. Und ganz nebenbei auch noch einige der besten Ausrüstungen.“ Mit einer leichten Freude fieberte ich auf Colmar zu, denn das war die erste friedlich Stadt, die ich sehen durfte. Fleur bekam nichts mit, sie schlief. Ich dachte darüber nach, ob es vielleicht doch besser war, sie hier zu lassen. In der Ukraine passierte ihr womöglich noch etwas. Das war schließlich eine Hauptstadt, und dort muss es immer ziemlich schlimm hergehen.

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