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War es das wert?

Mit einem schmerzverzerrten Gesicht saß Ian mit dem Rücken zur Wand, und presste seine Hand auf die Schulter, aus der Blut herausrinnte. Collin hockte neben ihm, und sah mit einer trauernden Mine zu Boden. Ian bemerkte schwach: „Das war's dann wohl.“ Collin schluchzte auf, und gab zögernd zurück: „Ja. Ja, das... war's dann wohl.“ „Nicht aufgeben...“, brachte Ian unter großem Leiden noch heraus. Collin umarmte den verwundeten Ian, und flüsterte diesem ins Ohr: „Du warst stark. Stärker als ich je sein werde.“ Plötzlich erstarrte Ian, sein eben noch lautstarkes Schnaufen erlosch in einem kurzen Moment. Collin bemerkte das, doch er begann unterdrückt zu weinen und hielt Ian noch ein Stück im Arm. Sein Bruder war fort. Getötet durch die Kugel jenes Polizisten, der einige Meter von den beiden entfernt auf dem Gang lag. Nachdem der offenbar ewige Moment vorbeiging, löste Collin den mittlerweile toten Ian aus seinen Armen. Er bemühte sich, seinem toten Bruder nicht in die Augen zu sehen, während er diesem seine Pistole aus der Hand nahm. Stetig blinzelte Collin mit seinen Augen, und rieb sich mit dem Arm die verbliebenen Tränen aus dem Gesicht. Mit seiner freien Hand schloss er dem Leichnam seines Bruders die Augen, und erhob sich langsam aus der Hocke. Nach kurzem durchatmen schlug seine Stimmung blitzartig um. Mit einem Durst nach Rache lud er die Pistole durch, und zückte seine eigene Pistole ebenfalls, sodass er nun eine in jeder Hand hielt. Kommen sollten sie. Kommen, und ihn holen. Er war bereit. Am Ende des Ganges krachte die Tür, und Collin nahm die beiden Pistolen ungefähr gleich hoch mit seinem Kopf in den Anschlag, jederzeit bereit zu feuern. Als ob er das Bewusstsein verloren hätte, schüttelte er mit dem Kopf, um sich selbst aus dem Dämmerzustand zu wecken. Im offenen Kampf hatte er keine Chance, die Spezialeinheiten würden ihn überrennen. Er sah sich um, und huschte durch die Tür neben ihm in das Büro. Die Tür ließ er ungeachtet offen stehen, er schwang sich mit einem enormen Tempo über einen der Schreibtische und warf ihn während des Fluges um, damit er dahinter in Deckung gehen konnte. Noch ein letztes Mal überprüfte er, ob sich in den Kammern der Pistolen eine Kugel befand – und schon nach wenigen Augenblicken schritt ein Mann des Einsatzkommandos vorbei. Mit einem hasserfüllten Schrei riss Collin die beiden Waffen über die Kante des Tisches, und jagte mehrere Kugeln in die Brust des unvorbereiteten Polizisten. Als das Magazin leer war, hörte er auf zu feuern, lud rasch ein neues Magazin in seine Waffen, und schwang sich über den Tisch. Eine der Waffen steckte er weg, und hielt so nurnoch eine Pistole in seiner Faust, und schritt vorsichtig aus der Tür des Büros heraus. An der Ecke, an der Ians Leichnam anlag, lief gerade ein weiterer Polizist vorbei, der offenbar dabei war, den Ort der soeben abgefeuerten Schüsse aufzuspüren. Collin streckte seinen rechten Arm voraus, weg vom Körper, schloss ein Auge und zielte meisterhaft auf den laufenden Officer, der sogleich durch die Mannstoppwirkung seiner Kugel im Lauf hinfiel, als sei er einfach nur gestolpert. Hinter Collin erklangen plötzlich Schritte, und er drehte sich blitzartig um. Mit einigen hastig abgefeuerten Schüssen bohrten sich die Kugeln durch die Schutzweste des so eben herannahenden Polizisten, der vermutlich nur eine weitere Sekunde zum Abdrücken gebraucht hätte. Eilig rannte er zum anderen Ende des Ganges, und presste sich an die Wand. Schließlich spähte er kurz um die Ecke, und erblickte einige ungepanzerte Streifenpolizisten, die vermutlich mit der Spezialeinheit in das Gebäude geschickt wurden. Collin atmete kurz durch, und brüllte dann ungesehen um die Ecke: „Bleibt da stehen wo ihr seid, oder ihr seid schneller tot als ihr Deckung schreien könnt!“ Einer der Officer wollte gerade eine Anweisung geben, doch mehr als „Deck...“ brachte er nicht heraus – ihr Widersacher schwang sich um die Ecke und mit seinen geschickten Händen hatte Collin sie alle bereits unter Feuer genommen, und sie alle sackten zusammen. Unten von der Treppe schallten Schritte herauf, und Collin legte seine Pistole bereits auf die letzte sichtbare Stufe an – als plötzlich eine weibliche Stimme ihn aufforderte: „Nicht schießen.“ Eine ihm bekannte Frau, mit einer Maschinenpistole bewaffnet, schritt die Treppe herauf, und fassungslos erkundigte Collin sich: „Du lebst?“ „Sie haben mich im Keller festgenagelt. Ich konnte mich nicht mehr melden. Wo ist Ian?“ Nachdem Collin in sich gekehrt schwieg, wurde die junge Frau innerlich erschüttert und widersprach ihren Gedanken: „Nein. Nicht er. Das... kann nicht sein.“ „Wir müssen die Spezialeinheiten abfangen. Die stürmen den ganzen Komplex.“, lenkte Collin ab, als sei nichts passiert. Die junge Frau lud ihre Maschinenpistole durch, und nickte Collin zu. „Du siehst zu, das du durch den Nordwesteingang herauskommst. Die suchen nur mich. Von dir sollten sie nichts wissen.“ „Warte“, warf sie ein, „du willst das alleine zu Ende bringen?“ Bestätigend nickte Collin ihr zu. „Pass auf dich auf.“, fügte Collin hinzu, und lief dann mit eisernem Blick an ihr vorbei, die Treppe herauf. Er konnte nicht beobachten, ob sie sich auf den Weg gemacht hatte, aber das war ihm nicht so wichtig, wie die Erfüllung seiner Aufgabe. Oben trat Collin mit einem kräftigen Tritt die Tür ein, und lief auf das Ende des Ganges zu. Direkt auf die Bürotür. Er zog seine zweite Pistole, und gewann allmählich an Tempo. Schließlich begann er zu sprinten, und mit der Schulter voraus die Tür einzurammen. Mit lauten, krachenden Geräuschen säuberten die beiden Pistolen in Collins Händen Stück für Stück den Raum, in den sich alle wichtigen Leute während der Belagerung durch ihn und seinen Bruder zurückgezogen hatten. Schon nach einem Moment war alles vorbei. Die Läufe seiner Pistolen waren nach hinten eingerastet, da sie leer waren. Er hatte keine Munition mehr. Collin ließ seine beiden Pistolen fallen, die mit einem Gemisch aus metallenem und künstlichen Klirren auf den Boden fielen. Es kam ihm garnicht so lang vor, doch schon standen einige Männer der Spezialeinheit hinter ihm. „Hände hinter den Kopf!“, brüllte ihn jemand von hinten an. Collin schloss seine Augen, richtete seine Hände hinter den Kopf und spürte, wie ihm jemand schmerzhaft mit dem Knie in den Rücken trat, sodass er auf den Boden fiel. Ihm wurden Handschellen oder Kabelbinder – er konnte es nicht unterscheiden – angelegt, und schließlich wurde er aufgerichtet und durch den Gang gezogen. Seine Mission hatte er erfüllt – doch sein Bruder bezahlte mit dem Leben, ihre beste Kämpferin musste vermutlich ab heute auf der Flucht leben, und Collin wird den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen. War es das wert?


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