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Faces of War

Mit einem ernsten Blick sah der grimmige Veteran den jungen Marlon an, während sein Gesicht von den Rauchschwaden seiner Zigarette im Aschenbecher unheilvoll verhüllt wurde. Angespannt zückte Marlon seinen Notizblock, und fuhr mit seinen Fragen fort.
Also sind sie der Meinung, das Kriege einen Sinn haben?“
Hm...“
Der Mann lehnte sich zurück, und sein Gesicht tauchte noch tiefer in den Schatten des Raumes ein.

Hören sie zu. Es gibt Kriege, die haben Sinn. Es gibt Kriege, die haben keinen Sinn. Und es gibt auch Kriege, die geführt werden, weil Politiker mehr Stimmen bekommen wollen. Die Gründe sind eigentlich immer egal. Immer.“
Sind sie der Meinung, das ihr Krieg einen Sinn hatte?“
„Jungchen, jetzt nerven sie mich nicht mit ihrem dämlichen Sinn. Es kann schon sein, das ich aus irgendeinem Grund dorthin geschickt wurde, aber das ist einem sowasvon egal, wenn einem die Kugeln um den Kopf fliegen.“
Marlon schluckte nervös, notierte die Antwort auf seinem überschaubaren Zettel, und zögerte, ob er ihn nocheinmal fragen sollte, welchen Sinn er in seinen Kämpfen sah. Doch das grimmige Gesicht seines Gegenübers hielt ihn davon ab, und er fragte weiter.

Wenn wieder ein Konflikt ausbrechen würde, würden sie sich dann wieder melden?“
„Vermutlich.“

Könnten sie mir beschreiben, wie es ist, im Krieg zu sein?“
Dreimal der Buchstabe S – Scheißen, Schiessen, Schlafen. Immer dasselbe.“
Unsicher sah er dem Mann in die Augen, da er nicht erkennen konnte, ob er diese Antwort ernst meinte oder ob er nur scherzte. Als dieser ihm dann schließlich zunickte, kritzelte er das Gesagte schnell auf den Notizblock.
Hatten sie Vertrauen in ihre Führung?“
In meine militärische Führung, ja. Meine Generäle haben alles richtig gemacht.“
Was macht sie da so sicher?“
Mürrisch sah der Veteran Marlon an.
„Ich lebe noch. Das macht mich sicher.“

Wie war das Verhältnis zu ihren Kameraden?“
So wie es sein musste. Jeder hat auf seinen Nebenmann aufgepasst, das ist alles.“
Marlon schrieb auf seinem Block herum, als der Veteran plötzlich anfing laut zu denken.
„Passen sie mal auf. Es ist egal, welcher Krieg tobt oder tobte. Sei es der erste Weltkrieg, indem sich von Gräben aus die Köpfe eingeschossen wurde, der zweite Weltkrieg, wo Nazis bekämpft wurden, der Korea-Krieg, in dem gegen den Kommunismus gekämpft wurde, der Vietnamkrieg, indem ganze Wälder mit Napalm ausgerottet wurden, der zweite Irakkrieg, wo ein Diktator gestürzt wurde, oder der heutige Kampf in Afghanistan gegen die Taliban. Jeder Krieg ist gleich.“

Aber sie nannten mir doch gerade die Sachen, die diese Kriege unterschieden.“
Der ernste Veteran schüttelte den Kopf.
„Der Krieg ist gleich. Es gibt immer zwei Gruppen von Leuten, die aufeinander schießen. Das ist es. Die Gründe, warum sie aufeinander schießen, sind letztenendes egal. Man tut nur das, was einem die geliebte Politik und seine Ideologie beigebracht hat. Und dafür sterben junge und alte Männer. Neuerdings ja sogar Frauen. Von unbeteiligten Zivilisten ganz zu schweigen.“

Nun hatte Marlon einen Knackpunkt gefunden, und sprach seine gute Frage aus.
„Und denken sie, dass das gerechtfertigt ist?“

Gerechtfertigt wäre, jeden Politiker der Kriege irgendwie beschönigen will, an einem Strick aufzuhängen. Aber das sich Leute gegenseitig über den Haufen schießen, aus Gründen, die sie vielleicht garnicht verstehen, ist nicht gerechtfertigt. Und am Ende geht es dann los wie im Kindergarten. >Der hat angefangen<, >Aber er hat das auch gemacht< und so weiter. Da frägt man sich, ob der Mensch dem Tier tatsächlich überlegen ist.“
Marlon verstand nun die Denkweise des Veterans, aber stellte sie nun in Frage.
Warum haben sie sich dann gemeldet? Warum wollten sie freiwillig kämpfen?“
Das, mein Junge, werden sie noch früh genug verstehen. Ihre Zeit ist nun um, sie dürfen gehen.“Der Mann stand auf, und reichte Marlon die Hand. Gehorsam stand dieser auf, und schüttelte die Hand des Veterans. Dieser trat nun vor, und Marlon bemerkte mit Schrecken eine große, lange Narbe im Gesicht seines Gegenübers.

Vor der Tür ging Marlon die Antworten des Veterans durch, und dachte über seine letzten Worte nach. Würde er es tatsächlich eines Tages verstehen? Würde er sich vielleicht genauso melden, um zu kämpfen? Das stand in den Sternen. Ohne weitere Gedanken schritt Marlon die Straße entlang, in die Richtung, aus der er gekommen war. Seine Arbeit war getan.

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